bbz 02 / 2017
Empörung, Stärke und Entschlossenheit
Wie Samba der Stimmung einen akustischen Ausdruck gibt. Der Gründer der GEW-Samba-Gruppe Hans-Jürgen Heusel im Gespräch mit der bbz
Hans-Jürgen, was hat eigentlich Samba mit der GEW zu tun?
Hans-Jürgen Heusel: Eins vorweg: Wir sind keine Tanzgruppe, wir machen Musik. Der Samba ist ein lateinamerikanischer Musikstil, in seiner modernen Form erschaffen vor knapp hundert Jahren in Brasilien. Seitdem hat er sich weiterentwickelt, was wir spielen ist überwiegend Samba Reggae. Unsere Vorbilder sind die brasilianischen Blocos, die Straßenbands im Karneval in Rio oder Salvador, deren Musik wir nachahmen und variieren. Es ist Instrumentalmusik ohne Gesang, im Ausdruck klar, dynamisch laut und lebensfroh. Für mein völlig europäisches Empfinden lässt sich mit dieser Musik genau das ausdrücken, was eine Demonstration auch will: Empörung, Stärke und Entschlossenheit. So trifft sich also in der GEW-Sambagruppe engagierte Interessenvertretung mit der Musik.
Habt ihr deshalb die Samba-Gruppe gegründet und wann war das?
Heusel: Ja, nach einer langen Zeit gewerkschaftlichen Engagements war es mir vor fünf Jahren ein persönliches Bedürfnis, meinen Gefühlen, die ich zum Beispiel bei einer Demonstration empfinde, lauten musikalischen Ausdruck zu verleihen. Vor Zeiten haben wir bei Demonstrationen Parolen gerufen, besonders gern unter S-Bahn-Brücken, das macht heute bei Gewerkschaftsdemos keiner mehr. So ist ein Vakuum entstanden, das sicherlich alle Teilnehmer*innen der bekannten Latschdemos kennen. Wir versuchen es zu füllen und der Stimmung der Demonstrant*innen einen akustischen Ausdruck zu geben.
Dann habt ihr ja gerade 5. Geburtstag! Herzlichen Glückwunsch! Wie vielen derzeitigen Mitmusikant*innen musst Du diesen Glückwunsch denn jetzt weiterleiten?
Heusel: Von der Handvoll Gründungsmitglieder ist außer mir nur noch unser musikalischer Leiter, Ralph Knappmeier, übrig geblieben. Es kommen immer wieder Neue hinzu, andere gehen, zur Zeit sind wir zehn Musiker*innen, überwiegend Laien, aber auch Musiklehrer*innen sind dabei.
Wo übt ihr denn eigentlich. Ist das nicht störend für die Anlieger*innen?
Heusel: So ist es, wir sind ganz schön laut. In geschlossenen Räumen tragen wir auch alle Gehörschutz, manche auch draußen. Und deshalb proben wir nicht in der GEW-Geschäftsstelle, sondern im GROOVE in der Nähe des Platzes der Luftbrücke, ein freistehendes kleines Gebäude, in dem auch viele andere Perkussiongruppen proben.
Wo kriegt ihr eigentlich die Stücke her, wie einigt ihr euch auf euer Programm?
Heusel: Unser Lehrer ist seit über 20 Jahren in diesem Metier, kennt sich in vielen Stilen des Samba aus und kann alle einschlägigen Instrumente spielen. Er schüttelt immer mal wieder ein neues Stück aus dem Ärmel, bricht es auf unser Können herunter und wir üben das dann. Was wir bei den Auftritten spielen, entscheiden wir in der Gruppe.
Seid ihr gut ausgebucht oder dürfte die Nachfrage größer sein?
Heusel: Wir sind bei etlichen Demonstrationen mitgelaufen oder haben beim Start oder Ziel den Demonstrant*innen eingeheizt, dankbare Blicke von diesen signalisieren uns, dass wir im Stil richtig liegen, und wir werden auch immer besser. Weiterhin werden wir von Seiten der GEW gebeten, bei Streikaktionen kleiner Belegschaften im Sozial- und Erziehungsbereich die Atmosphäre aufzulockern, ebenso bei Aktionen der Sozialarbeiter* innen, der Honorar-Lehrkräfte der Musik- und der Volkshochschulen sowie der Dozent*innen an Hochschulen. Da haben wir schon bei vielen Aktionen teilgenommen und die Stimmung, die ja sonst nur sagt »Wir sind böse.«, ins Positivegewendet. Anlässe gibt es immer wieder und über Unterbeschäftigung müssen wir nicht klagen. Wir bekommen auch Anfragen, ob wir beim Laternenumzug einer Kita mitlaufen; das machen wir nicht. Die Eltern sollen lieber »Laterne, Laterne …« mit ihren Kindern singen.
Wann und wo sind denn eure nächsten Auftritte, dass man euch mal live hören kann?
Heusel: Wann die nächste Anfrage kommt, kann ich nicht ahnen; sicherlich wird der Ausschuss für Frauenpolitik uns wieder zur Demo am 8. März bitten. Fest im Programm steht bei uns der Auftritt bei der Mai-Demonstration des DGB.
Kann man bei euch mitmachen?
Heusel: Freilich. Jede*r kann mitmachen, der*die Spaß an Musik und Rhythmus hat. Das notwendige Körpergefühl bringt fast jeder mit. Der Rest entwickelt sich durch die regelmäßigen wöchentlichen Proben. Unabhängig von unserer Sambagruppe bietet unser Lehrer Ralph Knappmeier am 4. März auch einen einmaligen Kurs im Rahmen des Seminarprogramms der GEW Berlin an.
Vielen Dank für das Gespräch.