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Schwerpunkt „Erzieher*innen und Sozialarbeiter*innen unter Druck“

Erzieher*innen & Sozialarbeiter*innen unter Druck

Erzieher*innen und Sozialarbeitende leiden unter immer schwierigeren Rahmenbedingungen. Wie viel Professionalität ist noch möglich, wenn es an Personal fehlt, die Belastung steigt und keine Änderung in Sicht ist?

Foto: Jeannine Schätzle

Es ist, als wäre die Bevölkerungspyramide ein streng gehütetes Geheimnis gewesen. Nun wurde es gelüftet und wir stehen staunend davor, sehen, wie wenige von uns in 20 Jahren noch arbeiten und die Renten finanzieren müssen. Es macht schon ein wenig Angst sich vorzustellen, wer uns dann pflegen kann, wer unsere Kinder und Enkelkinder erziehen und bilden soll.

Fachkräfte fehlen bereits jetzt und nicht nur im pädagogischen Bereich. In den Kitas scheint die Situation besonders schwierig. Wenn Stellen ausgeschrieben werden, bewerben sich nur wenige Personen darauf und Leitungskräfte berichten, dass sie den wenigen Bewerber*innen hinterher telefonieren, ihnen die Stellen schmackhaft machen, und am Ende kommt der Bewerber oder die Bewerberin vielleicht sogar ohne Absage einfach nicht zum Vorstellungsgespräch. Insgesamt eine komfortable Situation für Fachkräfte auf Jobsuche, irgendwie auch schön, sich nicht bestmöglich verkaufen zu müssen, sondern zu schauen, was einem angeboten wird. Weniger schön für diejenigen, die schon in der jeweiligen Einrichtung arbeiten und denen ausgebildete Kolleg*innen fehlen.

Doch was heißt eigentlich ausgebildet? Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Ausbildungs- und Studiengängen, die Menschen befähigen, mit Kindern und Erwachsenen pädagogisch oder sozialpädagogisch zu arbeiten. Nicht alle werden anerkannt und refinanziert. Auch Absolvent*innen eines Studiums der Erziehungswissenschaften gelten mitunter als Quereinsteigende, wie unser Interview zeigt.

Multiprofessionelle Teams mit Quereinsteigenden aus verschiedenen Professionen sind im besten Fall ein großer Gewinn für alle. Manchmal sind sie aber auch ein Deckmäntelchen, unter dem sich der Fachkräftemangel versteckt. Er erschwert die professionelle Arbeit, macht unzufrieden und verursacht Stress. Da daneben auch die gesamtgesellschaftliche Wertschätzung, die sich unter anderem in der Finanzierung widerspiegelt, zu wünschen übriglässt, sind einige von denen, die motiviert ins Berufsleben gestartet sind, nach wenigen Jahren wieder weg. Wir haben an der Ruth-Cohn-Schule mit begeisterten angehenden Erzieher*innen gesprochen. Aber auch mit Schulleiterinnen, die im Interview erzählen, dass immer weniger junge Menschen diesen Weg gehen wollen, trotz vielfältiger Ausbildungsgänge, die verschiedenen Lebenssituationen Rechnung tragen.

 

Professionalität unter widrigen Bedingungen

 

In der sozialen Arbeit sind die Herausforderungen ähnlich. Studierende werden während ihrer Praktika oder im Nebenjob bereits als fertige Sozialarbeiter-*innen eingesetzt und lernen so nebenher, dass der Weg der Sozialarbeiter*innen manchmal ein steiniger ist. Zumindest gehen dann Theorie und Praxis Hand in Hand. Die Frage ist nur, ob sie das bis zum Studienabschluss tun oder die Überforderung vielleicht manche*n Studierende*n dazu bewegt, einen anderen Weg zu wählen.

Der Ausgangspunkt dieses Schwerpunktes war der Begriff der Deprofessionalisierung der sozialen Arbeit, die an den Hochschulen seit Langem ein Thema ist. Soziale Arbeit muss sich in der gesellschaftlichen Wahrnehmung immer wieder als Profession beweisen, ebenso wie der Beruf der Erzieher*innen. Denn es kann eben doch nicht jede*r Kinder erziehen oder Klient*innen professionell betreuen und begleiten. Doch wie viel Professionalität ist unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen weiterhin möglich und sind wir vielleicht in ein paar Jahren froh, wenn Ehrenamtliche sich um unsere Kinder, Klient*innen und Patient*innen kümmern? Aus dem Ehrenamt ist die soziale Arbeit schließlich entstanden.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46