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Schule

GEW BERLIN begrüßt die Einführung eines 11. Pflichtschuljahres

Berlin ist das einzige Bundesland ohne 11. Pflichtschuljahr für Jugendliche ohne Ausbildungsvertrag nach der allgemeinbildenden Schulpflicht. Ab dem Schuljahr 2024/25 soll das 11. Pflichtschuljahr kommen - für Zehntklässler*innen ohne konkrete Perspektive.

Foto: Adobe Stock

Jedes Jahr verlassen in Berlin circa 3.000 Jugendliche und junge Menschen nach zehn Jahren die Schule, ohne einen Ausbildungsplatz oder einen weiterführenden Schulplatz zu haben. Das sind 10 Prozent aller 10. Klässler*innen, die die Schule ohne eine Anschlussperspektive beenden. Viele dieser Jugendlichen haben multiple psychosoziale und/oder sozioökonomische Schwierigkeiten und sind schuldistant. Da es bislang nicht gelungen ist, eine datenschutzkonforme Verbleibsstatistik einzuführen, „verschwinden“ sie nach dem Ende des Schuljahres einfach und es gibt wenige Möglichkeiten, sie zu kontaktieren und ihnen weiterführende Angebote zu machen.

Nach einer Schulgesetzänderung ist nun die Senatsbildungsverwaltung beauftragt, ab dem Schuljahr 2024/25 das sogenannte „11. Pflichtschuljahr“ einzuführen, um das Problem anzugehen. Der Bildungsgang soll in der Regel an den Berliner Oberstufenzentren, in sogenannten Ankerschulen, verortet werden.

Der Name überzeugt nicht

Als Abteilung Berufsbildende Schulen (ABS) begrüßen wir den Entschluss, sich systematisch um diese Schüler*innen zu kümmern. Bei den bisherigen angedachten Umsetzungsvorschlägen haben wir aber eine Reihe von Bedenken. Es beginnt schon mit dem wenig überzeugenden Namen. Die betroffenen Jugendlichen brauchen in erster Linie Unterstützung, Angebote und Eingliederungshilfen, die sie abholen - nicht weitere Ver“pflicht“ungen innerhalb eines Systems, in dem sie bislang wenig Erfolg hatten.

Von der konkreten Ausgestaltung des Bildungsganges wird es abhängen, ob das zusätzliche Schuljahr zu einem weiteren Jahr „Nachsitzen“ verkommt oder ob es echte Perspektiven eröffnet.

Wesentlich wird es sein, den Schüler*innen umfangreiche berufspraktische Erfahrungen zu ermöglichen. Eine bloße Fixierung der SuS auf das duale Ausbildungssystem, die Verwertbarkeit für eine Ausbildung und den Arbeitsmarkt lehnen wir strikt ab. Es muss in diesem Jahr darum gehen, die Schüler*innen dazu zu befähigen, zukünftigen Herausforderungen standzuhalten und fundierte, tragfähige Lebensentscheidungen zu treffen.

Wir appellieren, dass hier mutig neue Wege gegangen werden und der neue Bildungsgang viel Flexibilität und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Konkrete Ideen dazu hat die Abteilung mit circa 30 Kolleg*innen in mehreren ABS-Veranstaltungen erarbeitet. Die Stellungnahme kann hier abgerufen werden.

Volljährige werden aussortiert

Bislang noch unerklärt ist, woher die unterrichtenden und betreuenden Pädagog*innen kommen und in welchen Räumen die zusätzlichen 3.000 Schüler*innen unterrichtet werden sollen.

Es lässt sich nur hoffen, dass hier nicht ähnlich „gezaubert“ werden wird, wie bei der Zahl der Betroffenen. Denn obwohl die politisch Verantwortlichen und die Bildungsverwaltung stets von circa 3.000 Jugendlichen sprachen, wird sich die Anzahl wohl nun magischerweise halbieren. Wie das funktioniert? Indem die Rechtsgrundlage festlegt, dass nicht nur junge Menschen, die bereits 18 Jahre alt sind, sondern auch die, die in dem zu absolvierenden Schuljahr das 18. Lebensjahr vollenden, von der Schulpflicht für das 11. Pflichtschuljahr ausgenommen werden.

Die Umsetzung des ambitionierten Projektes wird für die Senatsbildungsverwaltung mit weniger Schüler*innen sicherlich einfacher sein, aber im ursprünglichen Sinne der Idee ist das nicht mehr. Diese jungen Menschen werden ihrer Perspektivlosigkeit überlassen. Wir halten das für einen fatalen Fehler.

Kontakt
Klaudia Kachelrieß
Referentin Vorstandsbereich Schule
Telefon:  030 / 219993-57

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