bbz 06 / 2019
Gleiches Netto für gleiche Arbeit
Die LDV hat sich nach kontroverser Diskussion gegen die Verbeamtung ausgesprochen. Nicht zugestimmt hat Andreas Ritter. Für ihn liegt in der Verbeamtung der einzig erkennbare Weg, die statusbedingten Nachteile der angestellten Lehrkräfte mittelfristig auszugleichen
Bis 2030 wird der deutschlandweite Bedarf an Lehrkräften auf bis zu 48.000 Personen steigen. Der ohnehin schon dramatische Wettbewerbsdruck nimmt in den kommenden Jahren also weiter zu. Berlin hat dabei schlechte Karten, denn alle anderen Bundesländer verbeamten ihre Lehrkräfte. Zudem verlangt Brandenburg seinen Lehrkräften ein zwar immer noch zu hohes aber zumindest geringeres Deputat ab als Berlin. In Niedersachsen ist es noch einmal etwas weniger. Laut einer repräsentativen forsa-Umfrage vom Sommer 2018 sind 58 Prozent der Berliner*innen für die Verbeamtung von Lehrkräften. Einer Vodafone-Studie aus dem Jahr 2012 zufolge schätzen zwei Drittel der in Deutschland befragten Lehrkräfte, die weniger als fünf Jahre im Beruf stehen, eine Verbeamtung als für sie wichtig ein und auch in der Gruppe, die zwischen 5 und 19 Jahren im Beruf stehen, ist es die Mehrheit. Eine angestrebte Verbeamtung ist für die Berufswahl einer der entscheidenden Faktoren.
So wird die Konkurrenzfähigkeit zur Macht des Faktischen: Im Sommer wurden 2.700 neue Lehrkräfte in Berlin eingestellt, davon nur 1.000 voll ausgebildet, nahezu alle ohne nennenswerte Berufserfahrung. Vor allem für die Berliner Schüler*innen ist es unfair, wenn in jährlich steigender Anzahl Lehrkräfte mit Berufserfahrung in andere Bundesländer abwandern – seit 2013 sind es 2.450, im letzten Sommer allein 470 voll ausgebildete Lehrkräfte. Die Zahl der Abgänge steigt seit Jahren stetig an. Dies ist bei den Einstellungen der zurückliegenden Jahre nicht verwunderlich, weil sich der Vorteil der Vorweggewährung der Erfahrungsstufe 5 für Angestellte je nach Ausbildung nach 5,5 bzw. 7 Jahren (mit oder ohne Quereinstieg) aufhebt. Dann ziehen die verbeamteten Lehrkräfte nämlich an den für diesen relativ kurzen Zeitraum bevorteilten Kolleg*innen im Angestelltenstatus vorbei und entfernen sich immer weiter von ihnen.
Trotz der ersten 5,5 beziehungsweise 7 Jahre bleibt angestellten Lehrkräften standardisiert hochgerechnet (EG13, verheiratet, zwei Kinder, inklusive Private Krankenversicherung, Erfahrungsstufe 5 und VBL) in 40 Dienstjahren eine Netto-Differenz zu beamteten Lehrkräften von rund 188.000 Euro. Dieser Betrag deckt in etwa die Kosten für ein heranwachsendes Kind einschließlich Studium. Diese Differenz wird im der-zeitigem TV-L nur mit der EG15 erreicht.
Die Schere geht immer weiter auseinander
Wenn SPD, Grüne und Linke dabeibleiben, Lehrkräfte nicht zu verbeamten, werden die angestellten Lehrkräfte mehr; ihr Einfluss steigt durch ihre Masse – so argumentieren die Gegner*innen der Verbeamtung. Praktisch ist ihnen dieser Einfluss aber genommen worden, indem 2015 der Deutsche Beamtenbund den TV EntgO-L unterschrieben und die GEW denselben 2017 »nachgezeichnet« hat.
Damit wurde unterschrieben, dass die mit A13 besoldete Tätigkeit im Falle des Angestelltenverhältnisses immer mit der EG13 einzugruppieren ist. Der Traum, dass der Senat ohne die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) einfach die Eingruppierung ändern kann, ist somit dauerhaft ausgeträumt. Dies wäre der charmanteste Weg bezüglich der Einkommensangleichung gewesen. Im Rahmen des TV-L bleibt für eine denkbare Angleichung nur §16(5) TV-L, die Zahlung von Zulagen, aber auch dieser Weg wird von der TdL nachhaltig blockiert. Da wegen des Gleichheitsgrundsatzes eine etwaige Stundenreduktion für Angestellte auch auf Beamte übertragen werden muss, ist auch hierüber keinerlei Angleichung erreichbar.
Sogar nach Einführung der Erfahrungsstufe 6 im TV-L geht die Schere zwischen Berliner Beamt*innen und Tarifbeschäftigten weiter auseinander, weil alle Tariferhöhungen auch auf Beamte übertragen werden und diese wegen ihrer Schlechterstellung im Vergleich zum Bundesdurchschnitt zusätzlich angehoben werden.
Diese statusbedingten Unterscheide werden seit 15 Jahren auf den Rücken der angestellten Lehrkräfte ausgetragen. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die GEW BERLIN dies bis wann ausgleichen? Warum hält sie diese Maßnahmen vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten 15 Jahre für realistisch? Wie viele Jahre soll es noch dauern, bis wir die echte Angleichung der beiden Beschäftigungsverhältnisse erreichen? Auf diese Fragen wünsche ich mir mehr denn je eine Antwort, nachdem die LDV sich gegen die Verbeamtung ausgesprochen hat. Ich finde es verklärend, dass in der Diskussion die Rede von »neuen« Ungerechtigkeiten ist, die bei einer Wiedereinführung der Verbeamtung entstünden. Denn die Verbeamtung würde doch eine wesentliche und seit 15 Jahren andauernde Ungerechtigkeit in den Lehrer*innenzimmern wenn nicht aufheben, so doch massiv reduzieren.
Die Rechte der angestellten Lehrkräfte sind nur eingeschränkt
Die Unkündbarkeit des Beamten versteckt seine Unfreiheit nicht. Aber auch angestellte Lehrkräfte genießen nicht die Freiheiten anderer Angestellten. Angestellte Lehrkräfte sind »Beamte light«. Ihre Eingruppierung, diverse arbeitsrechtliche Bestimmungen und ihre Arbeitszeit orientierten sich am Beamtenrecht. Wenn man aber die Vorteile der Angestellten nicht hat und die Vorteile des Beamtenstatus‘ ebenso vorenthalten bleiben, dann bleiben nur die Nachteile. Ich finde: Wenn angestellt, dann richtig und gerecht! Das ist offensichtlich auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Dann lieber beamtet, denn dieser Weg scheint möglich.
Während Grüne, Linke, Teile der Jusos und der Berliner GEW-Vorsitzende betonen, dass Zulagen und die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen viel wichtiger wären als die Verbeamtung, bleiben sie die Antwort schuldig, welche konkreten Wege sie warum für realistisch halten. Weder die Parteien, noch die GEW BERLIN haben eine repräsentative Umfrage durchgeführt, was den Berliner Lehrkräften beziehungsweise den Mitgliedern der GEW BERLIN wichtig ist. Den Schulen rennt aber die Zeit davon!
In der aktuellen Situation darf schlicht nicht mehr das eine gegen das andere ausgespielt werden! Vielmehr muss nun an allen denkbaren Rädern gleichzeitig gedreht werden, um die bestmöglichen Lehrkräfte in der Stadt zu halten oder zusätzlich in unsere Stadt zu bekommen!
Wenn wir eine wesentliche Verbesserung für etwa 10.000 Lehrkräfte schon kurzfristig erreichen können und für alle weiter hinzukommenden auch, dürfen wir ihnen die Tür nicht zuhalten, weil es trotz erheblicher Verbesserungen noch Ungerechtigkeiten geben wird und erst recht nicht, weil wir einfach aus Prinzip dagegen sind.
Wir müssen eingestehen, dass die letzten über sieben Jahre Kampf mit über 20 Streiktagen keine substanzielle Angleichung von angestellten zu beamteten Lehrkräften erreichen konnte und dass bis heute auch keine Angleichungen sichtbar sind. »Wenn Du merkst, dass das Pferd, auf dem Du reitest, tot ist, solltest Du absteigen…«
Bei aufrichtiger Betrachtung der Fakten wird deutlich: Gleiches Netto für gleiche Arbeit geht NUR über die Rückkehr zur Verbeamtung! Daher muss allen Lehrkräften, die seit 2004 in Berlin nicht verbeamtet wurden, nun endlich Gerechtigkeit widerfahren. Ihnen muss eine Verbeamtung ohne Altersgrenze und weitere Gesundheitsprüfung angeboten werden, denn letztlich waren alle unbefristet angestellten Lehrkräfte für ihre Einstellung bei Amtsärzt*innen zur Gesundheitsprüfung vorstellig. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass diejenigen, die Berlin über all die Jahre als angestellte Leistungsträger*innen die Treue gehalten haben, weiterhin leer ausgehen!