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Tendenzen

Ich wollte so weiß wie Barbie sein

Wie es ist, als Schwarzes Mädchen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft aufzuwachsen: von Schönheitsnormen und Rassismuserfahrungen im Kindesalter.

Foto: Adobe Stock

Als ich noch klein war, habe ich nie bemerkt, dass ich »anders« bin. Ich spielte und malte genauso wie alle anderen Kinder in meinem Kindergarten. Ich war Miriam und ich konnte einfach »nur« Miriam sein. Ich habe mit meinen Freunden Barbie gespielt, und wir haben Sandkuchen aus Sand und Wasser gemacht. Miriam war ein abenteuerlustiger Mensch und sie liebte es, mit ihrer Mutter zu backen und zu kochen. Miriam war sehr glücklich.

Ich war fünf Jahre alt, als ich zum ersten Mal bemerkte, dass ich anders war. Eine alte Frau griff mich und meine Mutter rassistisch an. Wir sollen »ihr« Land verlassen, weil »wir« hier nichts zu suchen hätten – und sie benutzte das N-Wort. Dieses Ereignis war traumatisierend und hat mich sehr geprägt. Ich fühlte mich zum ersten Mal anders. Seitdem habe ich immer wieder das Gefühl, als würde ich nicht hierher gehören, und war immer sehr sensibel, wenn es um meine Hautfarbe ging.

Als ich in die Grundschule kam, war ich das einzige Kind in meiner Klasse, das Schwarz war. Im Kindergarten ist mir so etwas zwar aufgefallen, aber es hat mir nichts ausgemacht. Das hier aber war die Grundschule, und plötzlich war ich nicht mehr Miriam aus dem Kindergarten. Es war hart für mich, Freunde zu finden, und ich glaube, einer der Gründe war meine Hautfarbe. Damals passierte sehr viel in meinem Kopf. Die Diskriminierungen, die ich im Laufe meines Lebens erlebt habe, haben mich sehr verändert. Meine Hautfarbe nahm sehr viel Platz in meinem Leben ein: Ich war das schwarze Mädchen Miriam und nicht einfach nur Miriam.

Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich in unser Badezimmer ging, als ich ungefähr sieben Jahre alt war, und eine Flasche Seife nahm und mich so sauber schrubben wollte, bis ich so weiß und schön war wie Barbie. Letztens erzählte ich meiner Mutter von diesem Vorfall, und sie fragte mich, warum ich so wie Barbie sein wollte und nicht wie all die anderen weißen Persönlichkeiten, die ich kannte.

Ganz einfach: Seit ich klein war, spiele ich mit Barbies und sehe mir Barbie-Filme an. Barbie ist das hübsche, weiße, blonde Mädchen mit langen Haaren und schönen blauen Augen. Sie ist alles, was wir in der westlichen Welt als schön empfinden – aber Barbie ist das komplette Gegenteil von mir. Miriam, so habe ich das damals empfunden, war das hässliche schwarze Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren und langweiligen braunen Augen.

Ich wollte Barbie sein. Nicht weil ich meine Hautfarbe nicht mochte, sondern weil ich so behandelt werden wollte wie eine Person, die aussieht wie Barbie.

Heute bin ich vierzehn Jahre alt und komme immer noch nicht so ganz mit meiner Hautfarbe zurecht. Aber ich habe gelernt, meine Hautfarbe zu akzeptieren. Trotzdem ist Rassismus für mich immer noch anstrengend, er macht mich – ehrlich gesagt – nicht einmal mehr wütend, sondern nur noch sehr müde. Immer wieder möchte ich eine Pause von meinem Äußeren bekommen und mich lieber auf mein Inneres konzentrieren. Aber das ist schwer, wenn man von anderen Menschen vermittelt bekommt, dass man nicht dazu gehört, weil man eine andere Hautfarbe hat.

Egal, wo Miriam hingeht, nirgendwo passt sie hinein. Entweder ich bin zu Schwarz für die nicht schwarzen Menschen in meinem Leben. Oder zu weiß für die schwarzen Menschen in meinem Leben.

q.rage heißt das jährlich erscheinende Magazin von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, gemacht von Schüler*innen des Courage-Netzwerks. Einige der tollen Schüler*innen-Texte werden wir in loser Folge in der bbz abdrucken. Viel Spaß beim Lesen! Unter qrage.online findet ihr alle Texte des Magazins und noch mehr.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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