Internationales
Kinderarbeit in Zeiten der Pandemie
Während der coronabedingten Schulschließungen sind viele Schüler*innen wieder zu Kinderarbeiter*innen geworden.
Gewerkschaftliche Projekte zur Schaffung kinderarbeitsfreier Gebiete entstanden in den letzten Jahrzehnten in immer mehr Ländern. Die Zahl der arbeitenden Kinder sank in zehn Jahren um 38 Prozent. Tausende Kinder und Jugendliche konnten in Schulbildung (zurück-)geholt werden, bis zu ihrem Schulabschluss. Die Pandemie gefährdet nun diese Erfolge.
Der 12. Juni ist alljährlicher Welttag, 2021 das internationale Jahr zur Abschaffung von Kinderarbeit, damit alle UN-Mitgliedsstaaten umgehend wirksame Maßnahmen dazu ergreifen. Aktionen machen auf die mehr als 152 Millionen Kinder aufmerksam, die statt Schulbesuch Kinderarbeit erleben. Die aktuellen Zahlen gibt die ILO, die Sonderorganisation der UN für Arbeitsorganisation, ab Juli 2021 bekannt.
Bei der GEW-Seminarreihe »Internationale Solidarität« tauschten sich interessierte GEW-Mitglieder zu »Kinderarbeit in der aktuellen Corona-Situation« aus. Dabei zeigten afrikanische Bildungsgewerkschaften, wie sie ihre Projekte durchführen und in Pandemiezeiten ihre Arbeit fortsetzen.
Robert Gunsinze von der ugandischen Gewerkschaft UNATU berichtete, dass seit dem Frühjahr 2020 – wie in Malawi und bis Ende April 2021 auch in Simbabwe – viele Schulen geschlossen waren. Da in ländlichen Regionen viele Lehrkräfte nicht vor Ort ansässig sind, kehrten sie in dieser unklaren Lage vorübergehend an ihren Heimatort zurück. Geschlossene Schulen und abwesende Lehrkräfte waren für Eltern vollendete Tatsachen. Sie schickten ihre Kinder in Lohnarbeit.
Mit Hausbesuchen und per Rundfunkaufruf leisteten Gewerkschafter*innen Überzeugungsarbeit in der Region. Die Kolleg*innen von UNATU in Uganda und von TUM und PSEUM in Malawi beeinflussten in Schulungen die Meinung der Lehrkräfte. Sie fuhren in Kleintransportern mit Lautsprecheranlagen über Land, um die gesamte Bevölkerung der Projektregionen auch bei der Feldarbeit und auf Dorfplätzen zu erreichen. Ihre Informationen über die Bedeutung von Bildung, die schrittweise öffnenden Schulen und die zu beachtenden AHA-Regeln mixten sie mit Musik und erregten so Aufmerksamkeit. Die Schulen öffneten hier zunächst für Abschluss- und Prüfungsklassen.
Von März bis Oktober 2020 sank im Projekt in Malawi die Zahl der Lernenden von 7.800 auf 4.000, stieg im Dezember aber wieder auf 8.000 Schüler*innen, ein großer Erfolg für das Projekt.
Lehrkräfte, Elternvereinigungen und Dorfälteste schreiten mit vereinten Kräften ein, wenn Kindern und Jugendlichen der Schulbesuch verweigert wird, wie bei der 15-jährigen Nelia aus Kabwinja, die unbedingt weiter lernen und ihren Schulabschluss machen will. Die Gewerkschafter*innen schalteten die Polizei ein, als Nelias Eltern keine Einsicht zeigten, ihr die Schule verboten und sie verheiraten wollten. Polizei und Gewerkschaft gemeinsam konnten die Eltern schließlich zur Vernunft bringen.
Beim Frauenkongress der F-SYNTER (Burkina Faso) lernten die Kolleginnen Desinfektionsgel herzustellen. Auch produzierten in den Projekten in Nicaragua die Gewerkschaftsmitglieder mit ihren lokalen Mitteln die Desinfektionsmittel für ihre Schulen selbst. Mit Unterrichtsmaterial für das Lernen zu Hause, Meetings, Sport- und Spaßangeboten im Freien versuchten die Lehrkräfte während der Schulschließungen den Kontakt zu den Lernenden zu behalten.
Die Wiederöffnung der Schulen ist ein Schritt, die Lernenden nach langen Pausen wieder an den Unterrichtsstoff heranzuführen, der andere. Gewerkschaftsmitglieder werden fortgebildet, um Auffang- und Brückenkurse zu entwickeln. Wo die Versorgungslage sich in der Pandemiesituation für Lehrende und Lernende besonders verschlechterte, richteten die Gewerkschaften Solidaritätsfonds ein. Die internationale Solidarität ist dabei eine wichtige Stütze. Neben dem beispielhaften Vorgehen der Gewerkschaften zur Abschaffung von Kinderarbeit bleibt als Hauptforderung an die Regierungen: kostenfreier Zugang jeden Kindes zu guter Schulbildung.