Zum Inhalt springen

Schwerpunkt "Schule neu denken"

Klimaschutz braucht die Betroffenen

Das Projekt KlimaRatSchule verbindet praktischen Klimaschutz mit Demokratie-Lernen.

Foto: Bertolt Prächt

Im letzten Schuljahr startete die Schule an der Jungfernheide als Berliner Pilot das Projekt »KlimaRatSchule«. An der Schule beteiligten sich vier Wahlpflichtkurse. Sie erstellten die CO2-Bilanz ihrer Schule und entwickelten Klimaschutzmaßnahmen. Aber die Entscheidung über die umzusetzenden Maßnahmen fällten dann andere: 50 zufällig ausgewählte Mitglieder der Schulgemeinschaft führten ein Bürger*innen-Gutachten durch und entschieden dort über die geplanten Maßnahmen.

Aktuell werden weitere Schulen gesucht, die den Weg zur Klimaneutralität einschlagen und sich an KlimaRatSchule (KRS) beteiligen wollen. Hierzu wird jeweils eine Schüler*innen-Gruppe als KRS-Schul­gruppe aktiv. Organisatorisch kann dies ein Wahlpflichtkurs, eine AG, eine Präsentationsprüfung für den Mittleren Schulabschluss oder eine andere Form sein. Der Arbeitsaufwand der Lehrkräfte hält sich dabei in Grenzen. Bei allen Aktivitäten bekommen die Schüler*innen Unterstützung vom Projektteam des Instituts für Zukunftsforschung und Technologiebewertung (IZT).

Die KRS-Schulgruppe wird in die Klimawirkungen der vier Bereiche Energie, Ernährung, Mobilität und Beschaffung eingeführt. Mithilfe eines CO2-Rechners erstellt die Gruppe dann die Klimabilanz der Schule. Dies beinhaltet beispielsweise die Ermittlung des Wärme- und Stromverbrauchs, die Analyse der Mensa-Speisepläne nach Klimagesichtspunkten, die Online-Befragung der Mitschüler*innen zu Schulwegen sowie die Datensammlung zum Wasser- und Papierverbrauch und zum Restmüllaufkommen. Nach diesen Untersuchungen entwickelt die KRS-Schulgruppe Vorschläge zu klimafreundlichen Verbesserungen in den vier Bereichen.

Um die Entscheidungsfindung über die Ideen der KRS-Schulgruppe auf eine demokratische Grundlage zu stellen, wird ein Bürger*innen-Gutachten an der Schule durchgeführt. Zufällig ausgewählte Schüler*innen und eventuell auch Lehrkräfte, Verwaltungsmitarbeiter*innen und Eltern entscheiden dabei über die Vorschläge. Hierdurch wird sichergestellt, dass sich ein repräsentativer Querschnitt der Schulgemeinschaft über die Maßnahmen verständigt. So wird verhindert, dass besonders klima-engagierte Schüler­*innen Entscheidungen vorgeben, die später mehrheitlich nicht akzeptiert werden. Dies könnte beispielsweise eintreten, wenn sich eine engagierte Klima-AG für Klassenraumtemperaturen von 17 °C oder für eine ausschließlich vegane Mensa ausspricht.

Zu Beginn des Bürger*innen-Gutachtens vermittelt die KRS-Schulgruppe den zufälligen Teilnehmer*innen die CO2-Bilanz der Schule sowie mögliche Klimaschutzmaßnahmen. In Kleingruppen, sogenannten Planungszellen, werden dann die möglichen Maßnahmen intensiv diskutiert, um sie zu befürworten, abzulehnen oder abzuändern. Die Ergebnisse werden im Plenum zusammengetragen und bewertet. So entstehen sinnvolle und speziell auf die Schule zugeschnittene Klimaschutzmaßnahmen

 

Umsetzbares umsetzen

 

Im Bürger*innen-Gutachten setzen die Schüler*innen mit Hilfe der Ergebnisse der CO2-Bilanz Prioritäten für Klimaschutzmaßnahmen. Das IZT dokumentiert die Projektschritte und alle Ergebnisse. Hieraus wird für die Schule eine Roadmap zur Umsetzung der ausgewählten und realisierbaren Maßnahmen entwickelt. Die Roadmap umfasst konkrete Schritte und Ziele, sowie die Identifizierung von Ansprechpartner*innen für die weiteren Maßnahmen.

Einfache Schritte, etwa beim Nutzer*innenverhalten, werden sofort angegangen. Andere Maßnahmen benötigen einige Zeit und Vorbereitung und sind nur vom Schulträger oder sogar erst bei der nächsten Gebäude­sanierung umsetzbar. Die Roadmap wird der Schulgemeinschaft während eines Projekttages vorgestellt.

Als sofort umsetzbar fanden sich bei der Pilotschule Maßnahmen zur Unterstützung des Radverkehrs, zum sorgsamen Umgang mit Möbeln sowie zur richtigen Nutzung der Thermostatventile. Noch in diesem Schuljahr soll bei den Snacks auf vegane Angebote geachtet werden. Die Weiternutzung ausgemusterter PCs soll sichergestellt und vor Beginn der Heizperiode ein Heizungscheck durchgeführt werden. Längerfristig wartet die Schule auf eine Gebäudesanierung und auf eine Solaranlage.

 

Wenn Desinteresse schwindet

 

KlimaRatSchule hat neben der Pilotschule im letzten Schuljahr an drei weiteren Berliner Schulen begonnen. Die Schüler*innen unterschiedlicher Schultypen beteiligten sich immer engagiert. In den fünfköpfigen Planungszellen haben auch diejenigen mitgearbeitet, die zunächst demonstratives Desinteresse zeigten. Die Idee vom Zufallsprinzip ist, dass es jeden treffen kann, auch Uninteressierte. Auch die aus jugendlichem Kontrageben oder überzeugtem Neoliberalismus geäußerten Gegenpositionen haben die Diskussion vorangebracht.

In einer der beteiligten Schulen lehnte die Schulleitung das Bürger*innen-Gutachten ab, da sie direkte Demokratie kritisch sieht. Dort wird jetzt die Schüler*innen-Vertretung das Gutachten durchführen. So ist zwar auch jede Klasse und jeder Jahrgang vertreten, aber weniger interessierte Schüler*innen werden kaum dabei sein.

Die Entscheidung zur Teilnahme der eigenen Schule wurde jeweils in mehreren Schulgremien diskutiert. Dadurch wird die Schulgemeinschaft schon von vornherein einbezogen. Mehrmals folgte allerdings auch ein Ping-Pong-Spiel, das die Teilnahme verzögert und in einem Fall auch verhindert hat, weil letztendlich niemand entscheiden wollte. Dies ist unnötig, denn bei den meisten der Gremien reicht ein passives Mittragen von KlimaRatSchule.

Die KRS-Schulgruppen haben sehr unterschiedlich gearbeitet. Insbesondere der Zeitaufwand und die Fähigkeit zur eigenständigen Arbeit variieren stark. Das ist aber auch zu erwarten, wenn ein Wahlpflichtkurs der 8. Jahrgangsstufe grundsätzlich die gleichen Aufgaben bewältigen muss wie Schüler*innen der 11. Klasse. In allen Fällen wurden letztlich gute Präsentationen vorgetragen und die Planungszellen konnten in ihre Diskussionen einsteigen.

 

Ökologie ist eine soziale Frage

 

Die Umsetzung der Maßnahmen auf der Roadmap steht in den beteiligten Schulen noch an. Wir hoffen, dass die Schulen zumindest einen Teil davon wirklich angehen. Hier sagt das IZT auch weiterhin seine Unterstützung zu. Bereits erreicht wurde, dass immer die gesamte Schulgemeinschaft von KRS einbezogen wird. Thematisch gilt das vor allem für die Mobilität, hier werden alle Schüler*innen befragt und alle sind an den Entscheidungsfindungen über ihre Klassenreise beteiligt.

Auch in der Schule an der Jungfernheide war die Diskussion um Flugreisen kontrovers und spannend. Gegen den Vorschlag »Gar keine Klassenreisen mit dem Flugzeug« wurde argumentiert, dass gerade an einer Sekundarschule mit vielen Kindern aus Haushalten mit geringerem Einkommen diesen die Möglichkeit zu einer Fernreise gegeben werden sollte. Diese Kinder und Jugendlichen können eine solche Erfahrung sonst nie machen, im Gegensatz zu anderen Teilen der Gesellschaft, die regelmäßig in den Sommerferien auch Flugreisen antreten. Das Ergebnis war an dieser Schule die Entscheidung »Maximal eine Flugreise in der Schullaufbahn«.

 

Projekt KlimaRatSchule

Im laufenden Schuljahr können sich noch weitere Berliner Oberschulen am Projekt KlimaRatSchule beteiligen. Der Zeitaufwand für die KRS-Schulgruppe liegt bei etwa acht Doppelstunden, wovon einige auch an Projekttagen zusammengefasst werden können. Das Bürger*innen-Gutachten findet an einem oder zwei Schultagen statt. Interessierte wenden sich an Malte Schmidthals, m.schmidthals@izt.de, Tel: 030/803088-20.

 

 

 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46