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Historie

Marschieren wir gegen den Osten?

Das Manöver »Defender Europe 2020« ist der größte Truppenaufmarsch gegen Russland seit 25 Jahren. Der 8. Mai oder Ostermärsche bieten Anlässe mit Schüler*innen über Krieg und Frieden zu sprechen.

Foto: GEW BERLIN

Präsident Putins Bruder starb während der deutschen Hungerblockade im 2. Weltkrieg in Leningrad, dem heutigen Petersburg. Mein sanftmütiger Vater lehnte es ab, über seine Zeit an der Ostfront vor Moskau zu sprechen. Nach seinem Tode fand ich Aufzeichnungen aus dem Krieg, in denen er die deutschen Truppen rühmte, sie hätten beim »Iwan« erst einmal Straßenschilder eingeführt, bei Weihnachtsfeiern auf den Sieg angestoßen und anschließend im Winter 1941/42 bei – 42°C in ärmlichen Dörfern »Flintenweiber« erschossen. Mit bis zu 25 Millionen Toten trug die Sowjetunion die Hauptlast des 2. Weltkriegs.

Provokante NATO-Übung

Und heute? Nennt die NATO ihr größtes Manöver seit 25 Jahren »Defender« und zieht gegen Russland. Auf der offiziellen Seite der Bundeswehr präsentiert diese die Zahlen: Fast 40.000 Soldat*innen, davon 20.000 aus den USA und 5.500 aus Deutschland, werden derzeit nachts auf 4.000 km Konvoi-Routen durch Europa transportiert, begleitet von Trucks mit Panzern, Munition und Material. Ein gigantisches, teures Unternehmen, Kapitalvernichtung pur. Und wozu? Seit dem Jahr 2018 stehen Auseinandersetzungen mit Russland und China auf der Agenda des Pentagon. Auch die Bundeswehr erklärte im selben Jahr in ihrer neuen Konzeption die Vorwärtsverteidigung gegen Russland als erste Aufgabe. Dieses Jahr sollen nun Bodentruppen in den neuen NATO-Ländern des Ostens, Polen und die baltischen Staaten, auf einen schnellen Einsatz getrimmt werden. Bis ins Jahr 2032 plant die Bundeswehr in drei Etappen die Vorbereitung auf einen Krieg mit Russland für drei Heeresdivisionen, vier gemischte Luftwaffenverbänden, 25 Kampfschiffe, acht U-Boote und den Cyberkrieg, wobei man jetzt schon von Ramstein aus die Drohneneinsätze der USA, beispielsweise im Irak, steuert. Deutschland spielt die Schlüsselrolle in der Kriegsvorbereitung gen Osten.

Seit über zehn Jahren geht die Aufrüstungskurve nach oben, wie Frontal 21 im Januar bewies. Deutsche Panzer und Gewehre sind im Jemen und in der türkischen Armee im Einsatz und Ex-Verteidigungsministerin von der Leyen ließ sich millionenschwer »beraten«, wie sie Rüstungsfirmen mit neuen lukrativen Geschäften versorgen kann. Diese Militarisierung wird flankiert vom Ausbau der Überwachung oder der Werbung in den Schulen und der Rekrutierung junger Menschen unter 18 Jahren für die Bundeswehr, wogegen sich die GEW seit Jahren wendet. Der Beschluss des EU-Parlamentes vom 19. September 2019, in dem die Sowjetunion auf eine Stufe mit dem deutschen Faschismus gestellt und sogar gemeinsam mit Nazi-Deutschland für den 2. Weltkrieges verantwortlich gemacht wird, versucht darüber hinaus, Geschichtsklitterung zur EU-Doktrin zu erheben.

Marschieren für den Frieden

Im Geschichtsunterricht bleibt kaum mehr Zeit für eine ausführliche Behandlung von Krieg und Frieden, wie in der bbz im Januar das Interview mit Professor Sandkühler von der HU zeigt. Dieser führt aus, dass in der Lehrkräfteausbildung noch nicht einmal die Behandlung des Holocaust verbindlich gemacht wird. So können Totalitarismus-Theorien auf fruchtbaren Boden fallen. Gleichzeitig muss man die Methode des Finanzministeriums, antifaschistischen Organisationen wie dem VVN/BDA per Aberkennung der Gemeinnützigkeit die finanzielle Grundlage zu entziehen als Versuch sehen, den Widerstand gegen Rechtsextremismus und Aufrüstung zu schwächen. Leider wird die aggressive Offensive der NATO in den meisten Medien kaum zur Kenntnis genommen. Trotzdem wächst die Ostermarschbewegung, viele Einzel-initiativen versuchen sich an den Transportrouten und Standorten von Defender 2020 aufzustellen, auch der DGB protestierte gegen das Mammut-Manöver.

Es wäre schön, wenn unsere Kolleg*innen anlässlich des 8. Mai-Feiertags ihre Schüler*innen motivierten, mit ihren (Ur-)Großeltern über deren Zeit im 2. Weltkrieg zu sprechen. Vielleicht kann man ja auch das alte Ostermarschlied reaktivieren:

Marschieren wir gegen den Osten? Nein!

Marschieren wir gegen den Westen? Nein!

Wir marschieren für die Welt,

die von Waffen nichts mehr hält,

denn das ist für uns am besten!

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46