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SenioRita

Mitteilungen

Buchtipps, praktische Ratschläge und News aus dem Seniorita-Teil der bbz

Foto: GEW

Was heißt Solidarität heute?

Der Politikwissenschaftler Jürgen Prott beschreibt in seinem aktuellen Buch, wie Solidarität gestern begriffen wurde und wie heute. Prott befragt insbesondere Betriebsräte und Gewerkschafter*innen, wobei er allerdings den Angestellten- und Bürobereich etwas stiefmütterlich behandelt. Das Buch ist sehr aktuell und greift sowohl die Wahlerfolge der AfD als auch die Diskussion um die Corona-Pandemie bis Mitte 2020 auf. Prott erinnert daran, dass es neben der individuellen Hilfsbereitschaft (soziale Solidarität) aber auch der politischen Solidarität bedarf, um Zustände dauerhaft zu verbessern. Deshalb sei ihm unverständlich, dass sich die Gewerkschaften in Sachen Corona kaum als Sachverwalter organisierter politischer Solidarität präsentieren: »Warum eigentlich traten Erntehelfer und Fleischzerleger, Kranken- und Altenpfleger, Paketboten und Kassiererinnen nicht als kollektive Akteure in Erscheinung, die ihre Anliegen mit Hilfe der Gewerkschaften demonstrativ zum Ausdruck bringen?« Ob man solidarisches Verhalten lernen kann und wenn ja, wie, ist eine weitere spannende Frage, die Prott in seinem Buch diskutiert.

Jürgen Prott, »Konfliktfall Solidarität. Geschichten und Analysen aus einer erschöpften Welt«, Göttingen 2020, 24 Euro

 

Israelbezogener Antisemitismus

Die Zahl judenfeindlicher Angriffe in Deutschland hat 2020 einen neuen Höchststand erreicht, seitdem die Polizei das Erfassungssystem »Politisch Motivierte Kriminalität (PMK)« im Jahr 2001 eingeführt hat. Um Antisemitismus wirksam zu begegnen, muss bereits in Schulen und Jugendeinrichtungen Aufklärungsarbeit geleistet werden, fordert die Soziologin Prof. Dr. Julia Bernstein. Die Wissenschaftlerin vom Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Frankfurt University of Applied Sciences forscht seit längerem zu diesem Thema. In ihrer jüngsten praxisbezogenen Veröffentlichung skizziert sie Grundbedingungen und Herangehensweisen, was in der Konfrontation mit antisemitischen Äußerungen und bei Angriffen auf jüdische Kinder oder Jugendliche getan werden kann, um Feindbilder zu widerlegen.

Julia Bernstein, »Israelbezogener Antisemitismus. Erkennen – Handeln – Vorbeugen«, Verlag Beltz Juventa 2021, 266 Seiten, 29,95 Euro

 

Auch noch mit 90 Jahren fit durch Ausdauersport und Krafttraining

Die saarländische Läuferin Melitta Czerwenka-Nagel hält neun Weltrekorde in verschiedenen Altersgruppen. Mit 90 Jahren plant sie den nächsten. Und tatsächlich: Mit 5:01,22 Minuten läuft sie die 800 Meter in neuem Weltrekord. So schnell ist noch keine 90-Jährige vor ihr gelaufen, berichtet Anja Jardine in der Neuen Züricher Zeitung (NZZ) vom 24. April 2021. Als nächstes will sie den Weltrekord einer neunzigjährigen Australierin über 1500 Meter brechen. Vor fünfundzwanzig Jahren ist Melitta die anderthalb Kilometer in 5:57 Minuten gelaufen, jetzt gilt es Lenores Zeit von 12:34,67 Minuten zu unterbieten. Melitta ist 156 Zentimeter groß, wiegt 45 Kilogramm – »2 Kilo mehr als mit 20« – und ist inzwischen 91 Jahre alt geworden – und hält ihr Gewicht auch durch Krafttraining. Selbst 90-Jährige können in nur zwei Monaten Training Kraftgewinne von fast 200 Prozent und einen Anstieg des Gehtempos von 50 Prozent erreichen, wie Studien zeigen. Muskelmasse verbrennt deutlich mehr Energie als Fettgewebe; jedes Kilogramm antrainierter Muskel führt zu einer zusätzlichen Verbrennung von bis zu zwei Kilo pro Jahr, was Übergewicht in Schach hält. Darüber hinaus beugt Krafttraining der Osteoporose vor. Melittas Training von drei Einheiten Ausdauersport pro Woche plus Krafttraining entspricht nach derzeitigem Wissensstand etwa dem Ideal eines Sportprogramms zur Erhaltung der Gesundheit.

 

Fünfzig Jahre Berufsverbote

Am 18. Februar 1972 beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz unter Vorsitz des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt den sogenannten Radikalenerlass: Wer »nicht die Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitlich--demokratische Grundordnung einzutreten«, sollte nicht im öffentlichen Dienst arbeiten dürfen. Daraufhin wurden für eine ganze Reihe von Beamt*innen und weiteren Beschäftigten im öffentlichen Dienst Entlassungsverfahren eingeleitet; Neubewerber*innen in großer Zahl wurden nicht eingestellt. Angeblich sollten auf diese Weise politisch rechte und linke Positionen ferngehalten werden. In der Praxis wurden willkürlich politisch linke Auffassungen verfolgt und diskriminiert. Alle Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst wurden durch den Verfassungsschutz überprüft. Das bedeutete, dass in den 1970er und bis Anfang der 1980er Jahre etwa 3,5 Millionen Bewerber-*innen – vor allem auch Lehrkräfte und Wissenschaftler*innen – durchleuchtet wurden. Die bittere Bilanz: 11.000 offizielle Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von Bewerbungen und 265 Entlassungen. Der Erlass führte zum Berufsverbot für Tausende von Menschen, die als Lehrer*innen, als Lokführer*innen, in der Sozialarbeit, in der Briefzustellung, an Hochschulen sowie in der Rechtspflege tätig waren oder sich auf solche Berufe vorbereiteten.

 

Altersvorsorge und Politik

Das Thema Altersvorsorge nimmt innerhalb der Sozialpolitik in der öffentlichen Debatte einen großen Raum ein. Bisweilen werden Katastrophenszenarien über die Zukunft der Rentensysteme entwickelt; man spricht von einem Graben zwischen der Generation der vermeintlich privilegierten Rentnerinnen und Rentner und den jüngeren Altersklassen, die die künftige Last der Rentenzahlungen werden tragen müssen. Diese pessimistische Sichtweise berücksichtigt allerdings nicht die sehr großen Einkommens- und Vermögensunterschiede unter den Rentnerinnen und Rentnern. Sie berücksichtigt auch nicht, dass es weniger ein Generationenproblem ist als ein Umverteilungsproblem. Zudem geht dabei unter, dass Rentnerinnen und Rentner einen großen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt leisten. Die Großeltern und engagieren sich oft und nicht unwesentlich bei der Betreuung der Kinder. Der Einsatz älterer Menschen in Vereinen ist zudem ein wichtiger Teil der Freiwilligenarbeit.          

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46