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Schule

Neu, aber mutlos

Der novellierte Rahmenlehrplan Physik für die gymnasiale Oberstufe stellt sich nicht aktuellen Themen wie dem Klimawandel, sondern betreibt gepflegte Langeweile.

Foto: privat

In letzter Zeit häufen sich Nachrichten zum schlimmen Zustand des Berliner Schulwesens: Lehrer*innenmangel, Raumnot, der bauliche Zustand der Schulgebäude: oft sanierungsbedürftig. Dass in diesem Schuljahr ein neuer Rahmenplan für die Oberstufe in Kraft trat, war niemandem eine Meldung wert – oder habe ich etwas überlesen? Für das Fach Physik hätte es auch nichts zu berichten gegeben, denn den Grundkursschüler*innen wird wieder nur der saure, muffige alte Wein in aufgehübschten, neuen Schläuchen angeboten – non scholae, sed vitae? Nein, aus diesem »neuen« Rahmenplan lernen Schüler*innen wieder nur für die Schule, kaum etwas für's Leben! Die Themen der ersten beiden Schulhalbjahre: »Felder«, »Schwingen und Wellen« locken kaum einen Hund hinter’m Ofen hervor und trugen schon immer dazu bei, Physik zum unbeliebten Fach zu machen, das nur durch die Belegverpflichtung am Leben gehalten wird.

Wieder haben die Verantwortlichen davor gekniffen, Inhalte zu den Ursachen und Folgen des Klimawandels, der Energiekrise verbindlich in einem Oberstufenplan vorzuschreiben. Dass man heilige Kühe schlachten und Unterricht zu den genannten aktuellen Themen erfolgreich anbieten kann, haben einige Kolleg*innen und ich mit behördlicher Genehmigung am Askanischen Gymnasium bewiesen – und die Akzeptanz der Kurse bei Schüler*innen war nachgewiesen höher als die der konventionellen Kurse. Ach ja, und viele Formeln kann man da auch lernen.

Im 1. Semester untersuchten die Schüler*innen ihr Schulgebäude: Wie viel Energie wird wofür verwendet? Wo, mit welchen Geräten wird diese Energie bereitgestellt beziehungsweise genutzt? Wie viel CO² wird dabei freigesetzt? Lässt sich ohne wesentliche Investitionen Energie im Schulgebäude sparen? Nachdem die Schüler*innen das Gebäude und seine Nutzung genau kannten, stellten wir im 2. Semester die Frage, ob und wie sich dieses Objekt ausschließlich mit regenerativen Energien betreiben ließe. Zu Photovoltaik, Solarthermie, Windenergie, Geothermie wurde der aktuelle Wissensstand vermittelt. In beiden Semestern waren drei Wochen Experimentalpraxis für Gruppen angesetzt, auf Exkursionen haben wir Gebäude mit Vorbildcharakter besichtigt.

Praktizierte Nachhaltigkeit unterrichten

Die Kurse »Energieumwandlungen I und II« vermitteln nicht nur aktuelle technisch-physikalische Erkenntnisse und können damit – im Gegensatz zu bestehendem Unterricht – Wünsche zur Ausbildung in nachgefragten Berufen wecken, sondern können auch als Beitrag der Physik zur Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) gesehen werden. Das Konzept der Grundkurse macht einen permanenten Bezug zu aktuellen Forschungsergebnissen unter anderem aus der Energieforschung möglich.

Ich habe dem Berliner Schulsenat dieses erfolgreiche Kurskonzept in mehreren Schreiben vorgestellt, darauf hingewiesen, dass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem letzten Jahr – die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens ist verfassungsrechtlich verbindlich – wohl auch den Schulen Verpflichtungen auferlegt. Wer Konflikte mit der Kultusminister*innenkonferenz scheut, kann die Kurse Schüler*innen anbieten, die keine schriftliche Prüfung im Fach Physik ablegen wollen – meine Schreiben wurden nicht einmal beantwortet.

Ich denke, dass Schule im Grundkursbereich einer Allgemeinbildung verpflichtet ist, die nicht unbedingt für ein Fachstudium vorbereiten muss. Hier sollten vielmehr Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt werden, die auch im Leben nach der Schule Verwendung finden können, hier: die Bedingungen der Nutzung regenerativer Energien, die Fähigkeit zum bewussten, sparsamen Umgang mit Energie. Die politische Relevanz eines solchen Unterrichts liegt seit längerer Zeit auf der Hand.  

Für genauere Auskünfte zu den Kursen stehe ich gerne zur Verfügung, über Unterstützung meines Anliegens, diese Kurse weiter zu verbreiten, würde ich mich freuen! joerg.eschner(at)t-online(dot)de

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46