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Schule

Nur mit Entlastung zu leisten

Lernprozessbegleitende Gespräche sind pädagogisch sinnvoll, können als verpflichtende Maßnahme aber nicht »on top« erwartet werden.

Foto: Adobe Stock

Seit diesem Schuljahr müssen an allen Grundschulen zweimal im Schuljahr »lernprozessbegleitende Gespräche« mit allen Kindern und Erziehungsberechtigten geführt werden. Dabei handelt es sich keineswegs um etwas Neues. An vielen reformpädagogischen Grundschulen und vor allem an den Grundstufen vieler Gemeinschaftsschulen finden diese zum Teil schon seit mehr als zehn Jahren erfolgreich und mit hoher Akzeptanz bei den Pädagog*innen und Eltern statt. An weiteren Schulen und Schularten wurden sie dann im Rahmen des Aufholprogramms »Stark trotz Corona« erprobt, gestützt auf wissenschaftliche Studien, dass Feedback eines der effektivsten Instrumente ist, um individuelle Lernergebnisse zu verbessern. Feedbackgespräche fördern die Lernentwicklung und tragen somit zur Stärkung der Kompetenzen und zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bei.

 

Nicht ohne angemessenen Zeitausgleich

 

Als GEW BERLIN und Vereinigung der Berliner Schulleiter*innen (VBS) in der GEW BERLIN, unterstützen wir ausdrücklich dieses wirkungsvolle und zukunftsweisende pädagogische Instrument. Aber keineswegs darf die Umsetzung zu erheblicher individueller Mehrarbeit an den Grundschulen führen. Eine schriftliche Anfrage der VBS ergab, dass man in der Grundsatzabteilung der Ansicht ist, dass es für die Vor- und Nachbereitung sowie die Durchführung der Gespräche keiner Entlastung der Lehrkräfte an anderer Stelle bedarf und verweist lapidar auf den Paragraphen 47 des Schulgesetzes, der das allgemeine Informationsrecht aller Beteiligten beschreibt.

Dem haben wir als Vorstand des VBS widersprochen. Die neuen Pflichten der Klassenlehrkräfte gemäß Paragraph 3 der Grundschulverordnung sind nach unserer Auffassung wesentlich umfangreicher als die allgemeinen Pflichten der Lehrkräfte gemäß Paragraph 47 des Schulgesetzes. Es entsteht hier der Eindruck, dass Grundschullehrkräfte im Rahmen ihrer bezahlten Arbeitszeit noch ungenutzte, freie Kapazitäten hätten. Dem sollten gerade auch wir Schulleitungen an Grundschulen widersprechen und für eine angemessene Kompensation des zusätzlichen Arbeitsaufwandes sorgen.

 

Es gibt bereits erprobte Modelle

 

An den Grundstufen der Gemeinschaftsschulen, die diese Gespräche teils schon seit vielen Jahren durchführen, hat sich bewährt, dass an ein bis zwei sogenannten »Bilanztagen« der reguläre Unterricht in Präsenz abgesagt und als Lernaufgabe zur selbstständigen Bearbeitung nach Hause verlagert wird. Es liegt nach Aussage des Leiters der Grundsatzabteilung in der Senatsbildungsverwaltung, rein in der organisatorischen Gesamtverantwortung der Schulleitung gemäß Paragraph 7 Schulgesetz, wie sie die Gespräche organisiert. Dies gilt beispielsweise genauso für Wandertage, Bundesjugendspiele oder Prüfungen. Das sind alles Fälle, in denen regulärer Unterricht »umgewandelt« wird oder ausfällt.

Dennoch wurde in manchen Regionen von einzelnen für Grundschule zuständigen Schulaufsichten die Behauptung aufgestellt, dass es seitens der Referentin für die Grundsatzfragen der Grundschulen in der Zentrale, untersagt sei, Unterricht für die Umsetzung der Lernstandsgespräche ausfallen zu lassen.

Dies stellt jedoch eine eklatante Miss­achtung des Paragraphen 7 des Schulgesetzes dar. Die Gesamtkonferenzen sollten daher über Beschlüsse eine Kompensationsregelung abstimmen. Wichtig ist auch, die Elternschaft im Vorfeld ausreichend zu beteiligen und gegebenenfalls in einem Schulkonferenzbeschluss einen grundsätzlichen Modus für die jeweilige Schule festzulegen.

Die Senatsbildungsverwaltung hat zum Thema auch eine Handreichung mit Beispielen zur ressourcenschonenden Umsetzung angekündigt. Sollte sich darin die Aufforderung an die Schulleitungen finden, die lernprozessbegleitenden Gespräche ohne Kompensation für die Pädagog*innen zu organisieren, muss und wird die GEW erneut ein deutliches Signal im Sinne des Arbeits- und Gesundheitsschutzes senden.    

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46