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Schule

Raus an die frische Luft

Neue Partner*innenschaften können Bildungsungerechtigkeiten entgegenwirken.

Foto: Anke Schlehufer

Ganzheitliche Bildung für nachhaltige Entwicklung mit vielfältigen positiv getönten Beziehungs- und Selbstwirksamkeitserfahrungen in Kindheit und Jugend stärkt Menschen, sich für Vielfalt in Natur und Kultur einzusetzen. Zukunftsfähige Politik braucht hochwertige Bildung für nachhaltige Entwicklung, die überall strukturell verankert werden muss. Schulen und Bildungseinrichtungen haben laut der UNESCO den Auftrag, sich so zu verändern, dass sie Nachhaltigkeit vorleben, indem die Rahmenbedingungen zu den Inhalten passen, denn das Setting hat bereits eine enorme Lernwirkung. Das impliziert auch, alle Alltagsaspekte einer Bildungsveranstaltung bewusst zu gestalten und ökonomische Aspekte mit ökologischer Tragfähigkeit, sozialer Gerechtigkeit und kultureller Vielfalt zu vereinen.

Die Natur bietet einen unerschöpflichen Fundus an Erfahrungsmöglichkeiten und Lernchancen, um in Bildungsangeboten Fragen eines guten Lebens, nachhaltiger Lebensstile und gesellschaftlicher Transformation im Sinne der 17 Ziele der UN-Weltvision zu ergründen. Die Beziehung Mensch-Natur ab dem Kindesalter zu stärken und zu vertiefen, erscheint dabei wesentlich, denn unsere Zukunft könnte durchaus davon abhängen, ob wir Menschen uns als Teil der lebendigen Erde empfinden oder als getrennte Individuen, die den Planeten weiterhin als Ressourcenlager ausbeuten.

 

Natur als Entwicklungsraum

 

Es kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig insbesondere für Kinder, Natur als Erfahrungs-, Spiel- und Entwicklungsraum ist. Besonders geeignet sind Landschaften und Lebensräume, in denen die natürliche Vielfalt von Lebewesen noch nicht so intensiv reduziert und zerstört wurde, wie in den Monokulturen der industriellen Landwirtschaft oder den Betonwüsten moderner Gewerbegebiete. In Nationalparks erreicht die inzwischen wissenschaftlich fundierte sogenannte Wildnisbildung glücklicherweise viele Schüler*innen im Rahmen von Schulfahrten. Doch ersetzen diese Highlights keinesfalls das regelmäßige Lernen von Kindern in und mit der Natur. Daher sind alle Naturräume in Städten von wesentlicher Bedeutung für ein gesundes Aufwachsen von Kindern. Dass nicht alle Kinder den gleichen Zugang zu vielfältigen Naturräumen haben, ist eine gefährliche Ungerechtigkeit, die negative Folgen für die ganze Gesellschaft hat. Stellt die Natur doch eine wesentliche Quelle für Gesundheit, Lebensqualität und als Sinninstanz dar. Regelmäßiges »Draußen lernen« sollte daher zumindest in allen Schulen, insbesondere in Grundschulen, selbstverständlich werden. Denn es ist längst durch langjährige Praxis und Studien erwiesen, dass das »Draußen lernen« mit allen Sinnen, neben der Stärkung von Gesundheit und Resilienz, die Lernmotivation und Konzentrationsfähigkeit steigert und es eindeutige Zusammenhänge gibt zwischen positiven Naturerfahrungen in der Kindheit und späterem Engagement für Natur- und Klimaschutz.

Natur bietet unzählige Möglichkeiten für eine erlebnis- und handlungsorientierte Bildung für nachhaltige Entwicklung mit Kindern. Diese sollte einerseits Freiräume für vielfältige selbstbestimmte Naturerfahrungen bieten und zugleich gezielt wesentliche Bezüge zu Alltagsfragen, globalen Zusammenhängen und nachhaltigen Lebensstilen herstellen. In und mit der Natur können Kinder erspüren und erforschen, wie Leben sich in Kreisläufen abspielt und wie Kreislaufwirtschaft funktioniert. Natur kennt keinen Müll, dafür Beständigkeit und Wandel. An solche Naturbeobachtungen und Erlebnisse können philosophische Gespräche über nachhaltige Wirtschaftsweisen und Lebensstile geknüpft und gemeinsame Projekte mit als sinnvoll erkannten Lösungsstrategien entwickelt werden.

 

Kulturelle Errungenschaften selbstwirksam begreifen

 

Jeder Mensch wiederholt in seiner persönlichen Entwicklung wesentliche Evolutionsphasen des Lebens. Die Grundthemen der Kindheit sind daher universell. Kinder erproben in enger Bezogenheit auf ihre Mitwelt spielerisch und experimentierend, wie sie menschliche Grundbedürfnisse selbsttätig erfüllen können. Im Erproben handwerklicher und künstlerischer Fähigkeiten bietet die Natur für Kinder die besten Voraussetzungen. Es wird darum gehen, unsere Gesellschaften so zu verändern, dass alle Menschen lernen, bewusst und respektvoll im Sinne der Natur und der lebendigen Erde zu leben und zu wirtschaften. Hierbei können wir viel aus der Vergangenheit lernen und Kinder lieben es, alte Handwerkstechniken zu erproben wie Feuermachen, Kochen und Alltagsgegenstände, Gefäße, Schmuck, Musikinstrumente herzustellen, aus Ton, Holz, Pflanzenfasern, Wolle oder Leder.

Kinder sollten mit Techniken umgehen, die für sie überschaubar und nützlich, sinnlich verstehbar und gut handhabbar sind. Kein Computer und kein elektronisches Spielzeug kann die Vielfalt an Lernmöglichkeiten ersetzen, die die lebendige Natur bietet. Die Glückserfahrungen, die Kindern dabei machen, den eigenen Körper aktiv einsetzen zu können, im sinnlichen Erspüren, im handwerklichen Geschick sowie im Erleben körperlicher Bewegung, Kraft und Ausdauer, formen und prägen ein Leben lang das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die eigene Wirksamkeit.

Der differenzierte und bewusste Umgang mit den digitalen Medienwelten lässt sich erfahrungsgemäß am besten lernen, wenn genügend Handlungsalternativen in der Kindheit eingeübt wurden. Das Erzählen, Vorlesen und Selbstlesen von Geschichten gehört zu den unersetzlichen Kindheitsschätzen, die Imagination und Kreativität fördern, wohingegen die schnelle Bilderflut digitaler Medien Kinder eher überfordert. Im Grundschulalter sollte daher der kreative Umgang mit Medien im Vordergrund stehen. Das Erstellen von Reportagen mit Fotos und Text, Radiointerviews und Filmclips haben deutlich Vorrang vor dem passiven Konsumieren von Bilderwelten aus zweiter Hand.

 

Viele Schulen haben sich auf den Weg gemacht

 

Es wird dringend Zeit, dass Schulen sich dahingehend verändern, dass alle Schüler*innen mit Freude und Motivation ganzheitlich und möglichst selbstbestimmt »Wesentliches« lernen, um ein sinnerfülltes, gutes Leben als verantwortungsbewusste mündige Menschen im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu gestalten. Viele Schulen haben sich bereits auf den Weg gemacht, ihr Bildungsverständnis zu verändern, mit Unterstützung von »Schule im Aufbruch«, Umweltstationen und anderen außerschulischen Bildungseinrichtungen und Initiativen.

Kooperationen und Vernetzungen auf vielen Ebenen sind gefragt, damit möglichst viele Kinder erlebnis- und handlungsorientiertes Lernen im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung erfahren können und das möglichst oft draußen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung fördert die Fähigkeit, eine mögliche Zukunft zu imaginieren, aus der Vergangenheit zu lernen und in der Gegenwart ganz präsent zu sein, um in Zusammenhängen global denken sowie empathisch und verantwortungsbewusst lokal handeln zu können. Es braucht anregende Lernumgebungen und Freiräume, damit alle Kinder ihr individuelles Potential an Fähigkeiten entfalten können. Es braucht Lernbegleiter*innen mit reflektierten, lebensförderlichen Werthaltungen, positiven Leitbildern und achtsamer Zuneigung, damit möglichst alle Kinder die beglückende Erfahrung machen können, sich als Person in einer Gemeinschaft willkommen zu fühlen, zugleich frei und verbunden, sowie gleiche Chancen bekommen, ihren individuellen Beitrag zum Wohl des Ganzen gestalten zu können.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46