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blz 01 / 2014

Schulsozialarbeit in Berlin

Angesichts der Ganztagsschule und der Inklusion ist regelfinanzierte Sozialarbeit notwendig

Der Beginn der heutigen professionellen Form der Schulsozialarbeit in der Bundesrepublik Deutschland fällt laut Wikipedia mit dem der Beginn der Gesamtschulbewegung Ende der 60er Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts zusammen: »Von der Paukschule zur sozialpädagogischen Schule, lautete damals die Zielrichtung. Im Rahmen eines Modellprogramms wurde Schulsozialarbeit erstmals in den 70er vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gefördert. Neben der Zunahme an sozialpädagogisch relevanten Problemlagen im schulischen Kontext war die Einführung des KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz) 1990 von grundlegender Bedeutung. Im zehnten Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung wird darauf hingewiesen, dass die historisch gewachsene Trennung der pädagogischen Arbeitsfelder Schule und Jugendhilfe nicht mehr der Realität gerecht wird und dass sowohl Schule und als auch die Jugendhilfe zunehmend systematisch aufeinander verwiesen werden müssen.« (Wikipedia)

Mit dem Senatsbeschluss vom 19. Juni 2001 werden in Berlin dann regelfinanzierte Schulstationen an unterschiedlichen Schultypen eingerichtet. Das sind Anlaufstellen für SchülerInnen, die aus verschiedenen Gründen nicht unterrichtsfähig sind oder sonstige Probleme haben. Dort werden Gespräche geführt und Vereinbarungen getroffen mit dem Ziel, das Verhalten der SchülerInnen zu verbessern, damit sie wieder am Unterricht teilnehmen können. Außerdem sollen diese Gespräche die SchülerInnen in privaten oder schulischen Krisen- und Problemsituationen entlasten. Außerhalb der Unterrichtszeiten sind Schulstationen Treffpunkt für Besprechungen, Hausaufgaben- oder Nachhilfen, Workshops und Gruppenarbeit.

Im Jahr 2006 wurde dann das Programm »Schulsozialarbeit an Berliner Schulen« gestartet. Es war vor allem für Hauptschulen gedacht, wurde aber schon im September desselben Jahres auf Grundschulen ausgeweitet, dann 2007 auf Schulen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und 2009 auf berufsbildende Schulen und weitere Grundschulen. Finanziert wurde das Programm durch ESF-Mittel, ab 2011 auch durch Mittel im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes (BuT). Ab 2012 erfolgt die Finanzierung ausschließlich aus Landesmitteln der Senatsbildungsverwaltung sowie aus BuT-Mitteln, worüber 90 der insgesamt 255 Stellen finanziert werden.

Damit gab es an 250 Schulen (von insgesamt 778) Schulsozialarbeit, die von 76 freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe über Kooperationsverträge mit den beteiligten Schulen betreut wurde. Weil Ende 2013 die BuT-Finanzierung auslief, verkündete Bildungssenatorin Sandra Scheeres Ende Oktober 2013, sie müsse die Schulsozialarbeit um 20 Stellen kürzen. Das stieß allerdings auf heftigen Protest und wurde schließlich wieder zurückgenommen.

Was soll Schulsozialarbeit leisten?

Die Verteilung der zusätzlichen Stellen der Schulsozialarbeit erfolgte bisher nach Kriterien der sozialen Belastung. Es wurden alle Schularten mit schulbezogener Kinder- und Jugendsozialarbeit ausgestattet, »die einen hohen Anteil von Schülerinnen und Schülern haben, deren Eltern Grundsicherungsleistungen erhalten und in den Schulen als ’lernmittelkostenbefreit‘ identifizierbar sind. Als Orientierungsgröße galten hier Schulen mit mehr als 225 Schülerinnen und Schüler mit einer Lernmittelkostenbefreiung. Die bedarfsgerechte und schulbezogene Verteilung der Sozialarbeiterstellen erfolgt in der regionalen Verantwortung durch gemeinsame Entscheidung der regionalen Schulaufsicht und dem Jugendamt.« (Marina Koch-Wohsmann, Senatsbildungsverwaltung Berlin, in: Paritätischer Wohlfahrtsverband, Landesverband Berlin (Hrsg.), Schulsozialarbeit im Rahmen des BuT, Berlin, Januar 2013, Seite 11) Deshalb wollte die Senatsbildungsverwaltung die 20 Stellen auch dort kürzen, wo der Anteil der sozial belasteten SchülerInnen unter der festgelegten Grenze von 40 Prozent lag. Trotzdem gab es heftige Proteste, denn inzwischen begreifen die Schulen die Schulsozialarbeit nicht nur als Zusatzpersonal für sozial belastete SchülerInnen, sondern als selbstverständlichen Teil der Schule.

Wie schon damals bei den Gesamtschulen geht es heute bei allen Berliner Schulen, die sich zu Ganztagsschulen und zu inklusiven Schulen entwickeln, nicht mehr nur darum, mit der Schulsozialarbeit Defizite auszugleichen. Es geht wesentlich auch um die Gestaltung einer Schule als gemeinsamen Lebensort für alle SchülerInnen. Das heißt dann aber, dass Schule mehr ist als Unterricht. Und deswegen gestalten dort, unabhängig von der sozialen Zusammensetzung der SchülerInnenschaft, nicht nur Lehrkräfte den Schulalltag, sondern auch andere Professionen.

Die Trägerfrage

Nur wenn man Schulsozialarbeit als Zusatzhilfe zum Ausgleich von Defiziten und sie damit tendenziell auch als zeitweilige Maßnahme begreift, macht es Sinn, sie durch freie Träger erledigen zu lassen. Begreift man dagegen Schulsozialarbeit als Regelaufgabe, dann ist es Unsinn und sogar schädlich, in einer Einrichtung Personal mit unterschiedlichen Trägern und unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen zu haben. Denn nicht nur müssen in der Schule alle Professionen eng zusammenarbeiten, auch für die Entwicklung der Schule zum »Lebensort« müssen und sollen sich die Beschäftigten stark mit »ihrer« Schule identifizieren. Das können sie aber nur bedingt, wenn sie als »Fremdpersonal« in der Schule arbeiten.

Kooperation zwischen den Professionen

Sowohl die Praxiserfahrungen vor Ort als auch die Ergebnisse der Begleitforschungen zeigen, dass die Kooperation zwischen Lehrkräften und den Fachkräften der Sozialarbeit ein konfliktträchtiger und langwieriger Entwicklungsprozess ist. Die historische Entwicklung der beiden pädagogischen Institutionen Jugendhilfe und Schule waren lange Zeit getrennt, womit auch eine Aufgabendifferenzierung und -spezialisierung und letztlich eine gegenseitige Abgrenzung und Abschottung verbunden war. Parallel dazu haben sich ebenso das professionelle Selbstverständnis und die Handlungsmethoden der beiden Professionen auseinanderentwickelt. Und nicht zuletzt kennen die meisten der heutigen Lehrkräfte Schule nur als einen Betrieb mit einer homogenen personellen Ausstattung. Sie haben in der Regel wenig Erfahrung bei der Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Professionen und Hierarchien. Bei den jetzt neu in die Schule kommenden Lehrkräfte ist das zwar etwas anders, aber bis zum vollständigen Austausch der Lehrkräfte sind es doch noch einige Jahre. Zumal auch die jungen Lehrkräfte als SchülerInnen oftmals auch nur die homogene Personalstruktur kennengelernt haben.

Und nicht zuletzt müssen in der Schule auch Leitungsstrukturen geschaffen werden, die den unterschiedlichen Professionen sowohl bei der Schulleitung als auch bei der schulischen Mitbestimmung und der Personalvertretung Rechnung trägt. Hier ist bisher so gut wie nichts getan worden.


Dieser Artikel ist Teil des blz-Themenschwerpunkts „Schulsozialarbeit in Berlin“