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Gewerkschaft

Sexualpädagogik der Vielfalt

Die heutige sexuelle Bildung nimmt alle Vielfaltsdimensionen in den Blick und setzt diese in den politischen Kontext der Menschenrechte.

Foto: IMAGO

Sexuelle Bildung entwickelt sich stetig weiter. Die heutige »Sexualpädagogik der Vielfalt« nimmt alle Vielfaltsdimensionen in den Blick und setzt diese in den politischen Kontext der Menschenrechte.

Die AG Schwule Lehrer blickt auf ihre spannende Geschichte zurück von Ulf Höpfner, Detlef Mücke und Alexander Wittenstein

Offiziell wurde die »AG Homosexueller Lehrer« am 13. Dezember 1978 vom Landesvorstand der GEW BERLIN gegründet, deren Vorläufer arbeiteten aber schon seit 1972 als Pädagogengruppe der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW). Das Archiv der Schwulen Lehrer, das Detlef Mücke anlegte und seitdem führte, wurde jetzt dem Schwulen Museum übergeben. Die wissenschaftliche Auswertung und systematische Ordnung der Unterlagen wird in den kommenden Jahren von Mitarbeitenden an der Freien Universität in Berlin übernommen. Weitere Projekte, wie zum Beispiel die Befragung von Zeitzeug*innen, werden über das Centrum Schwule Geschichte in Köln von Lenard Kramp laufen.

Lehrkräfte, Schüler*innen aber auch Wissenschaftler*innen, die die Entwicklung der Antidiskriminierungsarbeit sowie der Bildungs- und Sexualpädagogik in den letzten 50 Jahren nachvollziehen möchten, finden so genügend Quellen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Bildungsangebot des Schwulen Museums kann zu Synergieeffekten führen. Es gibt zudem noch eine Vielzahl vorhandener Dokumente, die noch nicht erschlossen wurden.

Ein neues Selbstverständnis entstand

Im Forschungsprojekt »Menschenrechte, queere Geschlechter und Sexualitäten seit den 1970er Jahren« von der Freien Universität wird untersucht, wie LSBTIQ* zu ihrer Geltung und ihren Rechten kamen und welche Rolle dabei Menschenrechte spielten. Zunächst konnte die Gewerkschaft für den Kampf gegen Diskriminierung von schwulen Lehrern am Arbeitsplatz gewonnen werden. Im Rahmen des Selbstverständnisses der GEW als Bildungsgewerkschaft, nahmen die AG Schwule Lehrer und die GEW Schule zunehmend sie auch als Lern- und Bildungsort für nichtheterosexuelle und transgeschlechtliche Personen in den Blick.

Deutlich wird diese Entwicklung an den Transparenten, die die Schwulen Lehrer auf Demonstrationen, dem Christopher Street Day (CSD) und Straßenfesten getragen haben. Hieß es noch im Jahr 1979 in Frankfurt »Schwule Lehrer und Schüler fordern: Homosexualität – kein Tabu in der Schule«, so lautete es im Jahr 2001 nach der Aktualisierung der Sexualkunderichtlinien auf Initiative der Schwulen Lehrer »Schwule Lehrer sind ein Vorbild«. Seit vielen Jahren verteilt die AG Luftballons auf dem Berliner CSD und dem schwul-lesbischen Straßenfest mit dem humorvollen, selbstbewussten und dennoch provozierenden Reim: »Cool, mein Lehrer ist schwul!«.

Selbstbestimmung im Zentrum sexueller Bildung

Im Jahr 1998 schließlich gab es auf GEW-Bundesebene eine AG LSBTI, die die Arbeit auf Landes- und Bundesebene koordinierte. Schließlich beschloss der Gewerkschaftstag in Leipzig 2022, dass es einen Bundesausschuss Queer gibt. Aufgrund der Beschlüsse der Gewerkschaftstage tritt die GEW sowohl auf Bundesebene gegenüber der Kultusministerkonferenz und Bundesregierung, im Rahmen des Aktionsplans für Akzeptanz und Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt »Queer leben«, als Expertin, Gesprächs- und Verhandlungspartnerin auf, als auch auf internationaler Ebene, wie auf dem Kongress der Bildungsinternationale im Februar 2023 in Sydney.

Pädagogische Konzepte zum Umgang mit der Frage, welche Kompetenzen Menschen brauchen, um ihr sexuelles und Beziehungsleben selbstbestimmt gestalten zu können, haben sich in den vergangenen Jahren von der Sexualaufklärung und der Sexualerziehung zur sexuellen Bildung weiterentwickelt. Im Mittelpunkt sexueller Bildung steht insbesondere die Selbstbestimmung als Ausdruck der Einlösung der Allgemeinen Menschenrechte. In dessen Konsequenz werden von der »Sexualpädagogik der Vielfalt« alle Vielfaltsdimensionen in den Blick genommen. Für die Kollegen der AG Schwule Lehrer bedeutet dies, dass sie perspektivisch folgerichtig intersektional denkende Akteure der Bildungsarbeit werden und sich vom Fokus der eigenen Identität lösend, im Kanon der Menschenrechtsakteur*innen im Rahmen gewerkschaftlicher Menschenrechtspolitik einordnen werden. Dabei können sie auf eine lange eigene Tradition der Solidarisierung mit allen nicht geschlechtsrollenkonform erlebten, meist männlich gelesenen und pauschal als »schwul« angefeindeten Personen zurückgreifen.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46