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Gewerkschaft

Unruhestifter*innen und die veränderte Gesetzeslage

Ein Rückblick auf die problematische Historie des deutschen Beamt*innengesetzes und warum es gilt, aktuelle Entwicklungen kritisch zu betrachten.

Foto: IMAGO

Adbusting – eine Aktionsform, bei der Plakate inhaltlich verändert werden – wer hätte dazu nicht schon einmal Lust gehabt, zum Beispiel bei den smarten Werbeplakaten der Bundeswehr. So auch eine Tempelhofer Studentin, die sich leider von der Polizei erwischen ließ. Man nahm daraufhin ihre DNA auf und führte eine Hausdurchsuchung durch. Sollte sie sich demnächst vielleicht auf eine Beamt*innenstelle im Öffentlichen Dienst bewerben, könnte das schwierig werden.

Das Beamt*innentum hat in Deutschland nämlich eine sehr unheilige Tradition. Dieses Jahr ist es 90 Jahre her, dass am 7. April das »Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« erlassen wurde, das den Nazis den Weg zu umfangreichen Säuberungen freimachte. Gemäß § 4 durften keine Beamt*innen im Staatsdienst geduldet werden, »die nach ihrer politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat einträten.«

Vor 51 Jahren übernahm der »Radikalen­erlass« diese Formulierung fast wörtlich, denn Beamter*Beamtin dürfe nur werden,« wer die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt«. In diesem »jederzeit Gewähr bieten« steckt eine Gesinnungsprognose, die nicht auf belegbare Taten abhebt, sondern auf eine von der Behörde gemutmaßte innere Haltung, die vielleicht irgendwann einmal zweifelhafte Taten zur Folge haben könnte. Nazijurist Geiger war übrigens 1933 am Gesetz beteiligt und auch Schriftführer am Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das 1975 die Berufsverbote rechtfertigte.

Auf dieses Urteil beruft sich auch die Änderung des Beamtengesetzes, das derzeit in Brandenburg – auf Initiative des Innenministers Stübgen, CDU – bereits in 1. Lesung im September 2022 den Landtag passierte und einen »Verfassungstreuecheck« vorsieht, der bei Einstellungen eine Nachfrage beim Verfassungsschutz festschreibt. Aufgrund von »Erkenntnissen« des Verfassungsschutzes wird dann eingestellt oder abgelehnt. »Zweifel« der*des Vorgesetzten reichen aus, er*sie kann gar aufgrund einer ominösen »Prognose« handeln, ohne dass er*sie einen Beweis für etwaige verfassungswidrige Taten antreten muss, eine Umkehrung der Beweislast. Auch in Sachsen plant man Entsprechendes, bisher allerdings nur für die Bereich Polizei und Justiz. Was uns in Berlin bei einer CDU/SPD-Regierung blüht, bleibt abzuwarten.

 

Verschärfung der Gesetzeslage

 

Entsprechend sieht auch die geplante Änderung des Disziplinarrechtes von Innenministerin Faeser (SPD) aus, gegen das der DGB umfangreichen Protest formulierte. Bisher konnte nur ein Verwaltungsgericht die Entlassung aus dem Dienst verfügen, künftig soll dies der*die Vorgesetzte durch einen einfachen Verwaltungsakt vornehmen können.

Stübgen und Faeser argumentieren zwar, sie wollten gegen rechts vorgehen, die Formulierungen der Texte sprechen aber nur pauschal von »Extremisten«. Die Berufsverbote der 70er trafen zu über 98 Prozent nur links orientierte Kolleg*innen, obwohl es angeblich gegen rechts und links ging.

Als Sahnehäubchen gibt es jetzt dazu noch ein Whistleblower-Gesetz. Selbiges plant derzeit auch die EU, wobei sich die dortige Vorlage auf Verstöße gegen die Verkehrssicherheit, Gesundheitsschutz und ähnliches beschränkt. Nicht so das »Hinweisgeberschutzgesetz« der Bundesregierung (Antrag vom 17. März 2023), das zum Denunziantentum einlädt: Wer Kolleg*innen anschwärzt, soll unerkannt bleiben und keiner Verfolgung ausgesetzt sein. Laut Ampel soll auch jemand geschützt sein, der*die explizit angeblichen verfassungsfeindlichen Aktivitäten seiner Kolleg*innen denunziert. Ein Novum, auch in der EU!

Der Strauß von undemokratischen Gesetzesinitiativen wird unter dem Slogan »wehrhafte Demokratie« verkauft, ist aber ein weiterer Schritt zum Abbau demokratischer Rechte.

Wer dagegen demonstrieren will, bekommt es – bisher allerdings nur in Hessen – mit neuen, umfangreichen Auflagen der Polizei zu tun, bis hin zur namentlichen Aufführung der vorgesehenen Ordner*innen. Die Anfang Mai erfolgte Razzia bei 15 Personen der »Letzten Generation« zeigt jedoch, wie schon jetzt massiv gegen Kritiker*innen der aktuellen Regierungspolitik vorgegangen wird. Auch das Dresdener Urteil gegen Lina E., die mehr als fünf Jahre Haft wegen Attacken gegen Neonazis erhielt, sowie der anschließende brutale Polizeieinsatz bei den diesbezüglichen Protesten in Leipzig zeigen, was man unter der angeblichen Zeitenwende zu verstehen hat. Innenministerin Faeser versprach danach, verstärkt gegen Links vorgehen zu wollen. Und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei freute sich über den »wehrhaften Staat«. So geht die Rolle rückwärts in die 50er Jahre.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
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