Schulbau
Blühende Landschaften
Auf dem Hannah-Höch-Campus probiert man das neue Lernen aus.
Die alte Flurschule mit den abgeschlossenen Klassenräumen wird abgelöst. In den neueren Schulplanungen sind Konzepte umgesetzt, die mit Schulraum flexibler umgehen und damit auch unterschiedliche Lernprozesse ermöglichen. Entscheidend dabei sind maximale Flexibilität und Transparenz. Stichworte dazu sind »Cluster« oder »Lernlandschaft«. In der letzten bbz hatten wir die Planung für die neue Clay-Oberschule in Neukölln vorgestellt. Kollegium und Architekten haben sich dabei für das Clustersystem entschieden: Dort werden beispielsweise die Unterrichtsräume eines Jahrgangs, Gruppenräume und die dazugehörigen Erschließungsflächen zu einer Einheit zusammengefasst. Zu diesem Cluster gehören ebenfalls Service- und Arbeitsplätze für das pädagogische Personal. Ein zentrales Personal-Zimmer gibt es hier nicht mehr. Die Schülerinnen können mehr Räume nutzen, sich aber auch über den Klassenverband hinaus austauschen, ebenso wie das pädagogische Personal sehr flexibel arbeiten und untereinander kooperieren kann.
Lernlandschaften schaffen Denklandschaften
Das Konzept »Lernlandschaft« geht noch einen Schritt weiter. Dort gibt es keine Klassenräume mehr. Denn diese werden in einem großen Raum zusammengefasst und nur untergliedert durch funktionale Ecken, Lern- und Spielflächen oder Arbeitsplätze. Nur der Raum für das pädagogische Personal ist gesondert angeordnet.
Im Märkischen Viertel kann man sehen, wie das aussieht. Wir fahren dazu in den Campus-Hannah-Höch, eine Gemeinschaftsschule mit Grund- und Sekundarstufe. Nuri Kiefer ist dort Schulleiter und erzählt uns gleich, dass nicht er, sondern sein Vorgänger Michael Tisustek 2005 die damalige Grundschule in eine Lernlandschaft umgewandelt hat, womit endlich das dort praktizierte altersgemischte Lernen (von der ersten bis zur dritten Klasse und von der vierten bis zur sechsten) auch räumlich umgesetzt werden konnte. Kiefer kam 2013 an die Schule, die nach großem Widerstand der CDU-Stadträtin Gemeinschaftsschule geworden ist. Die Sekundarschule ist die auf dem gleichen Gelände befindliche ehemalige Greenwich Schule. Kiefer leitet die Schule seit 2014.
Hier gab es gute bauliche Voraussetzungen für eine Lernlandschaft. Denn die ursprüngliche Hannah-Höch-Grundschule ist ein 1973 gebauter Stahlskelettbau, bei dem es innen keine tragenden Wände gibt. Man konnte also problemlos die raumteilenden Wände herausnehmen.
Als wir über den Flur in diese Lernlandschaft kommen, sind wir begeistert von dem, was wir da sehen. Und erstaunt registrieren wir, dass es nicht lauter ist als in einer normalen Klasse. Hier aber sind drei Klassen zusammengelegt worden: 75 Kinder lernen hier normalerweise. Kiefer versichert uns, dass der Lärmpegel nie ein Problem gewesen sei. Alle Kinder halten sich wie selbstverständlich an das leise Reden.
Möbel ergänzen das Konzept
Die Möblierung sieht hier sehr ungewöhnlich aus. So gibt es etwa zwei große Wagen, die aussehen wie transportable Regale. Man kann sich da reinsetzen, man kann damit den Raum unterteilen, weil diese Möbel auf Rädern schnell und einfach verschoben werden können. Alle Möbel, so erfahren wir, sind von Studierenden der TU Berlin entworfen worden, die zuvor die Schülerinnen gefragt hatten, was sie sich wünschen oder vorstellen für ihre Schule. Die nach diesen Wünschen angefertigten Entwürfe sind dann vom Oberstufenzentrum (OSZ) Bauen umgesetzt worden. Das alles ist zehn Jahre her, aber sowohl die Möbel als auch der Raum haben kaum Abnutzungsspuren. Was geschätzt wird, wird auch gepflegt!
Die Schattenseiten sollen nicht verschwiegen werden: Das Konzept Lernlandschaft gilt nicht für die gesamte Grundstufe, denn dafür war das Geld nicht da.
Außerdem ist die alte Teilung zwischen den beiden Schulen bis heute noch nicht richtig aufgehoben. Zum einen gab es kaum Erfahrungen, wie man zwei ver-schiedene Kollegien zusammenführt, zumal sie in diesem Fall auch noch von unterschiedlichen Schularten kommen. Zum anderen ist die ehemalige GreenwichSchule kein Stahlskelettbau, sondern ein massiver Mauerwerkbau. Hier lassen sich Umbauten nicht so schnell realisieren, weswegen ein pädagogisches Raumkonzept wie nebenan kaum umsetzbar war. Hier sind die Klassen sieben bis zehn untergebracht. Aber leider festigt das die alte Teilung, statt sie aufzuweichen. Zumal der Bezirk es bis heute nicht geschafft hat, eine einheitliche Schließanlage einzubauen. Und immer noch gibt es zwei Telefonanlagen. Ein Trauerspiel!
Konzept kontra Schulplätze
Aber auch anderen Ärger gibt es: Man könne doch gut noch ein bis zwei Klassen mehr unterbringen, wird der Schulleitung vorgeworfen: Da wo jetzt drei Klassen lernen, gab es früher fünf Räume, wird angeführt. Aber bislang konnte Kiefer sein Raumkonzept gegen die Begehrlichkeiten des Bezirkes verteidigen. Dabei, so Nuri Kiefer, könnte man das Platzproblem am Hannah-Höch-Campus und die fehlenden Schulplätze im Bezirk ganz einfach durch zusätzliche Bauten hier auf dem Campus lösen, dort sei genug Platz. Hier zeigt sich die verfehlte Senatspolitik - neue Konzepte dürfen kein Geld kosten. Was sich berlinweit an der mangelnden Umsetzung der Inklusion zeigt, verhindert auch am Campus Hannah-Höch die Weiterentwicklung einer beispielhaften Lernlandschaft.
Kiefer plädiert für eine sachgerechte Verwaltung der Schulen: Wichtig wäre zum Beispiel, dass der Gebäudewert ermittelt wird und dann eine bestimmte Summe X jedes Jahr für den Werterhalt zur Verfügung stehe. Gegenwärtig werde mal was gemacht und das soll dann zwanzig Jahre halten. Dazwischen kümmere man sich aber um nichts oder lege hektisch Sonderprogramme auf, die eine sinnvolle Weiterentwicklung eher erschweren als ermöglichen, da sie alle personellen Ressourcen binden würden.
Bei Interesse ist eine Hospitation an der Schule möglich.
Ulrich Meuel, ehemaliger stellvertretender Schulleiter der Fritz-Korsen-Schule und Klaus Will, ehemaliger geschäftsführender Redakteur der bbz