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Hochschule

Warum die Hochschulen gerade keine Zukunft gestalten

Oft wird darüber geschrieben, was Hochschulen leisten, um mehr Lehramtsstudierende in ihrem Studium zu unterstützen und zu motivieren. Die Realität sieht anders aus.

Foto:Adobe Stock

Ich absolviere an der Humboldt-Universität ein Zertifikatsstudium im Grundschullehramt mit den Fächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Durch das Zertifikatsstudium können sich Studierende mit einem beliebigen Bachelor- oder Master-Abschluss in den Quereinstiegsmaster Grundschullehramt an der Humboldt-Universität einschreiben und den Abschluss Master of Education erwerben.

Fünf Klagepunkte

Uns Studierenden wird fast täglich während der Veranstaltungen gesagt, wie stressig der Lehrkräftejob sein wird. Das ist nicht motivierend!

Leider werden uns oft unrealistische didaktische Konzepte vermittelt, die in einem regulären Schulbetrieb nicht einsetzbar sind. Die Realitätsferne ist den meisten Dozierenden bekannt. Die Wahl der Inhalte begründen sie damit, dass wir unsere Unterrichtsgestaltung vor dem Senat, Kolleg*innen und Eltern gut rechtfertigen können.

Die Anzahl der Veranstaltungen und die Uhrzeiten, zu denen einige davon stattfinden (18 bis 20 Uhr), machen das Arbeiten während des Studiums unmöglich. Der Senat bietet ein Lehramt-Stipendium für die Studierenden im Quereinstiegsmaster (500 Euro brutto). Die Zertifikatsstudierenden bekommen jedoch gar kein Geld.

Die meisten Dozierenden sind überfordert und gestresst. Das äußert sich durch eine unprofessionelle schriftliche und mündliche Kommunikation, wie unbeantwortete oder verspätete E-Mails, fehlende Folien, nicht stattfindende Zoom­Sessions und spontane Verschiebungen der Veranstaltungen.

Als Teil des Vorlesungsmaterials hören die Studierenden Reden darüber, wie schwierig die Berliner Schüler*innenschaft ist. Vor allem die Kinder mit Migrationshintergrund seien besonders herausfordernd. Für mich als Person mit Migrationshintergrund ist es beleidigend und inakzeptabel.

Das Fazit? Hochschulen gestalten gerade keine Zukunft, sie stiften Chaos und Stress.

Das Ergebnis? Viele brechen das Studium nach dem Zertifikat oder gar mittendrin ab. Ich überlege dies auch zu tun. Denn der Job als Lehrkraft ist zwar sinnstiftend, aber stressig. Und wenn das darauf vorbereitende Studium genauso stressig wie der zukünftige Beruf ist, dann entscheiden sich viele verständlicherweise dagegen.

Fünf Lösungsvorschläge

Studierende brauchen motivierte und motivierende Dozierende. Sind diese gestresst und überfordert, sind es viele Studierende auch.

Studierende brauchen mehr Praxis und weniger Vorlesungen mit rein theoretischen, in der Praxis nicht realisierbaren Inhalten. Als Formate können hier Gesprächsrunden mit Lehrkräften hilfreich sein.

Studierende brauchen Geld, sowohl im Zertifikatsstudium als auch im Master. Die Zeiten, wo man mit 500 Euro im Monat auskam, sind generell vorbei. Das zeigt sich an der Berliner Wohnungssituation und den Folgen der Inflation.

Die Universitäten müssen für eine bessere Organisation der Veranstaltungen durch neue Formate (asynchron, digital) für mehr Familien- und Freizeitfreundlichkeit sorgen. Bitte schreibt keine Mails nach 20 Uhr. Wir wollen ungestört unsere Abende genießen. Ihr bestimmt auch.

Workshops zu antidiskrimierendem Verhalten sollten für Studierende und Dozierende verpflichtend sein. In diesen lernen die Teilnehmenden die eigenen (Fehl-)Vorstellungen zu reflektieren und Alternativverhalten kennen. So können sie Schüler*innen beim Lernen unabhängig von ihrer Herkunft unterstützen.

Bis das Studium sich nicht verändert, werden die Zahlen der Lehramtsabsolvent*innen weiterhin sinken und die Lehrkräfte im Job niedergeschlagener sein. Denn niemand möchte auf Dauer unglücklich und frustriert sein. Weder im Studium noch im Job.

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Privat:  030 / 219993-46