Gewerkschaft
Warum feministische Bündnisse und Gewerkschaften einander brauchen
Ein Dialog darüber, wie sich beide für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen einsetzen.
Bettina und Katrin haben 2013 das Frauen*kampftagsbündnis (F*kt) mitgegründet und sind seit dem für dieses aktiv. Bis zur Corona-Pandemie richtete das plurale feministische Bündnis die Großdemonstration zum 8. März in Berlin aus. Auch die GEW Berlin gehört zu den Gründungsorganisationen und unterstützt seit Jahren die Bündnisarbeit. Aus den Kreisen des F*kt Bündnisses heraus wurde 2018 auch das feministische/Frauen* Streik Netzwerk gestartet.
Katrin: Also, ich kann von mir sagen, dass die feministische Bündnisarbeit mich zur GEW gebracht hat. Als ich in Berlin politisch aktiv geworden bin, wollte ich zunächst etablierte Parteien oder andere große Organisation die Gewerkschaften vermeiden, weil ich Hierarchien und Entscheidungswege nicht mit meinem feministischen Politikverständnis zusammenbringen konnte.
Umso überraschter war ich, als ich zum Gründungstreffen des Frauen*kampftagsbündnisses in Berlin 2013 merkte, wie Organisationsstrukturen dieses Bündnis prägen werden. Es war eine Tagesordnung angesetzt, zwei Moderatorinnen bestimmt worden und es wurde ein Protokoll verfasst. Was für mich zunächst ungewohnt für feministische Kontexte war, erschloss sich mir allerdings innerhalb der ersten Bündnistreffen zunehmend. Außerdem wurde mir schnell klar, dass nur mit dieser Struktur ein so pluralistisches Bündnis, wie es das Frauen*kampftagsbündnis war, zu Ergebnissen geleitet werden konnte. Aufgefallen ist mir immer wieder, wenn wir Strukturen oder Entscheidungen nicht verbindlich oder transparent genug treffen konnten, die Arbeit im Bündnis zu wackeln begann. Zu viele Meinungen und Interessen einzelner Aktivist*innen oder Bündnisorganisationen versuchten sich oft gegeneinander durchzusetzen, was ich nicht selten in aktivistischen Kreisen erlebt habe. Schon Jo Freeman schrieb 1970 einen langen Artikel zum Thema „die Tyrannei der Strukturlosigkeit“, in dem sie die fehlende Nachhaltigkeit und den fehlenden Schutz für Einzelne in aktivistischen Kontexten bemängelt.
Du warst ja schon in Gewerkschaft und Partei organisiert als das F*kt gegründet wurde, vielleicht ist dein Eindruck damit ein anderer?
Bettina: In einer Partei war ich schon länger aktiv. Tatsächlich bin ich aber durch die Arbeit im F*kt Bündnis erst darauf aufmerksam geworden, wie wichtig es ist, sich auch in einer Gewerkschaft zu organisieren. Im „Frauen*kampftag Bündnis“ habe ich gelernt, wie sich feministisch Bewegte und gewerkschaftlich Aktive gegenseitig in ihren Kämpfen unterstützen können. Darauf beruhte auch eines der wichtigen Mottos des Bündnisses: „Connected in feminist struggle“.
Feministische Bündnisse und Gewerkschaften kämpfen für bessere Arbeits- und auch Lebensbedingungen. FLINTAs (Frauen, Lesben, Interpersonen, Nichtbinäre, Trans- und Agender-Personen) arbeiten vor allem in Bereichen, die kaum gesellschaftliche Anerkennung erfahren, schlecht bezahlt werden und in denen Personalmangel herrscht. Dazu zählen Berufe, die sich um die Sorge, Pflege, Erziehung und (Weiter)Bildung von Menschen drehen. Oder aber sie arbeiten in Bereichen wie der Wissenschaft, in denen sie insbesondere in den gehobenen Positionen unterrepräsentiert und oft befristet beschäftigt sind. Da FLINTAs zusätzlich zur Lohnarbeit auch den Löwenanteil der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit leisten, sind sie oft teilzeitbeschäftigt oder Minijobberinnen*, um alles unter einen Hut zu bringen. Diese besondere Betroffenheit von FLINTAs in der Lohnarbeitswelt ist mir erst so richtig während meiner Zeit im F*kt Bündnis klar geworden. Dort traten aktive Gewerkschafterinnen* immer wieder dafür ein, dass die Erfahrungen und Bedürfnisse von Beschäftigten in Aufrufen, aber auch in der Art und Weise, wie und wann wir eine Demo organisieren, eine Rolle spielt. Insbesondere durch die Corona-Pandemie hat sich die Lage an diesen Arbeitsplätzen noch weiter zugespitzt, aber auch zu Hause im Home Office.
Katrin: Gesellschaftspolitik und Arbeitspolitik lassen sich nicht voneinander trennen. Nachdem ich nun einige Jahre für die GEW aktiv bin, weiß ich, dass sich täglich viele aktive Mitglieder und Beschäftigte dafür einsetzen, dass hier keine künstliche Grenze zwischen den Anliegen unserer Mitglieder als Arbeitnehmer*innen und Bedürfnissen in ihren anderen Rollen und Identitäten gezogen werden. Der hohe Frauenanteil in den Branchen, die von der GEW organisiert werden, wird sich auch auf den Frauenanteil der GEW-Mitglieder auswirken, doch ich bin mir sicher, dass auch die feministische Positionierung unserer Gewerkschaft hier ihren Beitrag leistet.
Bettina: Das stimmt, die GEW bildet eine positive Ausnahme mit dem höchsten Frauenanteil unter den Einzelgewerkschaften. Der Anteil der weiblichen Mitglieder in allen DGB-Gewerkschaften im Jahr 2020 lag bei 34,1 Prozent. Zu oft, wenn auch in den letzten Jahren immer weniger, herrscht in einigen Gewerkschaften noch das Bild des Vollzeit arbeitenden Mannes mit Normalarbeitsverhältnis im Industriebereich vor. Dieses wurde erstens durch die Tarifkämpfe der letzten Jahre im Erziehungs- wie im Gesundheitsbereich in Frage gestellt. Und zweitens auch durch feministische Aktivist*innen, insbesondere des Feministischen Streik Bündnisses, die offensiv, fast schon provokativ den Streikbegriff hinterfragten und damit auch, wer streikt. „Nach innen“ können feministische Bündnisse bei Gewerkschaften also auch noch etwas bewirken.
Auf der anderen Seite verfügen Gewerkschaften über wesentlich mehr Ressourcen, wie zum Beispiel Räumlichkeiten und Infrastruktur als feministische Bündnisse. Insbesondere, da es oft feministische Orte und Institutionen sind, an denen in Krisenzeiten zuerst eingespart wird, wie man es beispielsweise gerade in Berlin beobachten kann. Darüber hinaus besitzen Gewerkschaften durch ihre kontinuierliche Arbeit einen großen kollektiven Wissens- und praktischen Erfahrungsschatz. Sie verfügen auch über einen langen Atem und wissen, wie man nach Rückschlägen weitermachen kann. Dies kann konkrete Hilfe und Inspiration für die nicht selten sehr jungen feministischen Aktivist*innen sein.
Katrin: Ja, die Verbindung zwischen feministischen Bewegungen und Organisationsstrukturen funktioniert nicht gut als Einbahnstraße. Wir geben unsere Forderungen und Schwerpunkte in Bewegungen mit rein und im Gegenzug werden auch an die GEW-Anliegen und Forderungen gerichtet, die sich in alltäglicher Gewerkschaftsarbeit, aber auch in Entscheidungsgremien, wie dem Gewerkschaftstag wiederfinden. Auch hier muss sich die GEW nicht verstecken. Ob klare Haltungen zu reproduktiven Rechten, sexueller Selbstbestimmung, Elternzeit, Teilzeitregelungen, Altersarmut (die immer noch vor allem Frauen betrifft) die Positionen der Bildungsgewerkschaft sind.
Bettina: Oder auch bei den Bildungsinhalten spielt Feminismus eine wichtige Rolle. Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene können sensibilisiert beziehungsweise empowert werden, das ist ja genau GEW-Thema. Aber F*kt oder auch „Feministischer Streik“ kritisieren die Strukturen, die hinter der schlechteren Bezahlung von FLINTAs, der geringen Anerkennung und prekären Arbeitsbedingungen stecken. Sorgende, bildende und pflegende Tätigkeiten werden in unserer kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft abgewertet und der Herstellung von Waren untergeordnet, obwohl ohne sie gar nichts mehr laufen würde.
Die Kämpfe von feministischen Bündnissen und Gewerkschaften sind zwar nicht immer die gleichen und oft müssen Widersprüche überbrückt werden, aber es lohnt sich! Am erfolgreichsten waren und sind beide, wenn feministische Bewegte auch zeitgleich gewerkschaftlich Aktive sind, die für ihre Interessen am Arbeitsplatz, aber auch darüber hinaus für ein gutes Leben eintreten. Diese Kämpfe gehörten für die Arbeiter*innenbewegung immer zusammen.
www.wsi.de/de/mitbestimmung-14620-frauenanteil-in-den-dgb-gewerkschaften-14770.htm