Zum Inhalt springen

Gesundheitsprävention

Wie sich meine Sicht änderte

Über Achtsamkeit und die Kraft der Pause, die daraus erwachsen kann.

Foto: GEW BERLIN

Nur noch drei Wochen bis zu den Ferien.« Immer wieder erwischte ich mich bei diesem Gedanken, beim Zählen der Tage. Nach den Ferien ging es dann genauso weiter »Erst eine Woche um«, stellte ich erschrocken fest.

Vor vier Jahren nahm ich dann irgendwann an meinem ersten »Mindfulness-Based-Stress-Reduction«-Kurs (MBSR) teil. Das Training besteht aus Achtsamkeitsübungen zur Körperwahrnehmung im Sitzen und im Gehen. Eine für mich wichtige Erkenntnis aus diesen acht Wochen und den letzten Jahren ist, dass ich auch meine Arbeitszeit in der Schule anders wahrnehmen kann. So erlebte ich, dass ich auch mitten im Schuljahr das Gefühl von Erholung erfahren konnte. Das war etwas komplett Neues.

Meine Gefühle zu kennen und sie wahrzunehmen, daraus besteht das Training für mich an jedem Tag. In dem schnellablaufenden Alltag der Schule begegnen mir immer wieder Situationen, die ich als heraus-fordernd erlebe. In diesen Situationen meine Gefühle zu identifizieren und zu benennen, das erlebe ich nun, seitdem ich regelmäßig meditiere, bewusster. Oft kommt mir dann der Gedanke: »Kein Wunder, dass ich früher im Innern und manch-mal auch nach außen explodiert bin, ich renne ja schon wieder durch die Schule und habe keinerlei Pause zum Atmen.«

In der Schule Zeit zu finden, um durchzuatmen, auf den eigenen Atem zu achten, das ist gar nicht so einfach. Die meiste Zeit erlebte ich mich im Außen. Ich habe 24 Kinder vor mir und bin voll auf Sendung. Mein Bedürfnis nach einer Pause habe ich oft einfach übergangen. Auch in den offiziellen Pausen ist immer etwas zu tun, für mich genauso wie für die Kinder. Mir hilft es gemeinsam mit den Kindern diesen Ruheraum zu öffnen. Auch sie brauchen Pausen. Als Klassenlehrerin konnte ich damit den Schultag beginnen: Wir achten kurze Zeit auf unsere Atmung und registrieren unsere Gefühle. Anschließend versuchen wir, sie zu verbalisieren. Durch diese Übungen und andere entstehen im Klassenraum Achtsamkeitserfahrungen und eine gemeinsame Sprache, die die zwischenmenschlichen Beziehungen aufwertet. Aus dieser Erfahrung folgte meine Entscheidung, dass ich diese Erkenntnis teilen möchte.

»Was bringt uns das denn? Dafür habe ich keine Zeit.« Dies höre ich immer wieder von Kolleg*innen. Ich erlebe immer mehr meiner engagierten Kolleg*innen im System Schule, die ihre Arbeit als herausfordernd empfinden. Sie fühlen sich dabei allein gelassen. Ich habe Gleichgesinnte um mich herum gefunden, die Freude daran haben, ihre Sicht zu ändern und ihre Beziehungskompetenz zu trainieren. Es ist die Chance, eine Entscheidung für sich fällen zu können, Gefühle bewusst wahrzunehmen und zu entscheiden, wie ich damit umgehen möchte. Ich kann beispielsweise Wut wahrnehmen und mich fragen, was mir jetzt gut tun würde.

Wenn wir unsere Gefühle wahrnehmen und verbalisieren, dann schaffen wir ein gutes Gegenmittel gegen Stress, auch stärken wir unser Selbstgefühl und unsere Integrität. Unsere Art in Beziehung mit anderen Schüler*innen, wie Kolleg*innen ändert sich.

Ich brauchte etwas Zeit, um dies zu lernen und zu realisieren. Nun gelingt es mir immer häufiger in für mich herausfordernden Situationen eine Atemübung einzuschieben und nicht sofort meine Gedanken auszusprechen oder zu handeln, sondern innezuhalten. Die Übung zur Reflexion, Prävention und Achtsamkeit hilft auf professioneller Ebene tagtäglich und wirkt sich damit auf das Wohlbefinden auch im privaten Leben aus.

So wünsche ich mir und euch, dass ihr auch den Mut findet, ganz bewusst Pausen im Schulalltag einzulegen, dass ihr es schafft, neben den oft so negativen Stimmungen und Äußerungen im Schulalltag, die vielen positiven Entwicklungen zu entdecken und sie für euch festzuhalten.