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Schwerpunkt "Schule neu denken"

»Wir sind mehr als unsere schulische Leistung!«

Über 300 Jugendliche haben sich im Sommer 2022 beim Berliner jugendFORUM mit Forderungen für eine gute Schulpolitik auseinandergesetzt.

Foto: Bertolt Prächt

Aus ganz Berlin kamen Schüler*innen aus Berufsschulen, Integrierten Sekundarschulen und Gymnasien beim jugendFORUM zusammen, um mit Politiker*innen zu diskutieren und sich zu beteiligen. Viele hatten im Vorfeld bereits an einer Umfrage zum Thema Schule teilgenommen. Der Aussage »Druck und Pensum [in der Schule] sind mir zu hoch« stimmten 50 Prozent der Jugendlichen zu. In Zeiten von multiplen Krisen, einer unsicheren Zukunft und sich ständig verändernden Welt ist das auch kein Wunder.

Seit Jahren kritisieren Expert*innen das Bildungssystem. Diese sind aber meistens Menschen, die Daten über Schulen erheben oder die selbst lange Lehrkräfte waren. Expert*innen für Schulen sind aber vor allem auch Kinder und Jugendliche. Sie sind diejenigen, die dort einen Großteil ihres Tages verbringen und sie haben viele kluge Verbesserungsvorschläge.

Das Berliner jugendFORUM wurde umgesetzt von der SozDia Stiftung Berlin und finanziert von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie. Ein Jugendbegleitgremium hat die Entstehung der Forderungen und die Veranstaltung über ein Jahr begleitet und so die Perspektive der Jugendlichen im ganzen Projekt sichergestellt. Auf der Hauptveranstaltung konnten sich dann die Jugendlichen zum Thema Schule und sechs weiteren Themenbereichen fortbilden und einbringen. Der Themenbereich Schule wurde gemeinsam mit der Stiftung SPI (Sozialpädagogisches Institut Berlin) gestaltet.

 

Lernen ohne Leistungsdruck

 

Unter anderem fordern Jugendliche, es sollte eine Möglichkeit für die Schulen geben, Noten abzuschaffen. Dabei sollen die Schüler*innen mitentscheiden können, wo Noten zur individuellen Einschätzung ihrer Leistung gegeben werden und wo nicht, wie beispielsweise im Sportunterricht, wo Noten unnötigen Druck aufbauen. Der schulische Druck ist bei Schüler*innen ein großes Thema. Viele Schüler*innen haben angegeben, dass sie sich im Schulsystem auf ihre Note reduziert fühlen und sich weniger Leistungsdruck wünschen.

Für einige Forderungen muss man keine Expert*in sein. So dürfte allen klar sein, dass Overheadprojektoren nicht auf eine Lebens- und Arbeitswelt im Jahr 2040 vorbereiten, dass WLAN dem individuellen Lernen der Schüler*innen dient, Medienpädagogik sinnvoll ist und der Umgang mit Technik schon früh im Lehrplan abgebildet werden sollte.

Neben Digitalisierung war auch Gerechtigkeit ein großes Anliegen der anwesenden Jugendlichen. Jeden Tag erleben sie in der Schule, dass nicht alle Schüler*innen gleichbehandelt werden. Sie bemerken Alltagsrassismus und wünschen sich daher ausgebildete Rassismus- und Diskriminierungsbeauftragte. In der Schule begegnen sich schließlich die verschiedensten jungen Menschen und sollten dort ein respektvolles Miteinander lernen. Dafür muss es aber Fachkräfte geben, die Grenzüberschreitungen als solche wahrnehmen und entsprechend handeln können. Auch im Unterricht sollte das Thema mehr Raum finden. Der Bezirk Lichtenberg geht gerade voran und hat eine Stelle der Diskriminierungsbeauftragte*n an Schulen geschaffen.

 

Schule muss zum Leben der Jugendlichen passen

 

Auch ökonomische Unterschiede nehmen die Jugendlichen wahr und möchten diese verändern: Sie wünschen sich ein Ganztagsangebot auch an weiterführenden Schulen und die Umsetzung der Lehr- und Lernmittelfreiheit. Hausaufgaben sehen sie als sehr ungerecht, da nicht alle Schüler*innen Hilfe von ihren Eltern bekommen können und nicht alle die gleichen technischen Hilfsmittel zur Verfügung haben. Fair wäre also für sie, Hausaufgaben abzuschaffen und so tatsächliche Chancengleichheit zu schaffen.

Die Schüler*innen haben auch inhaltliche Forderungen zum Lehrplan. Es sind vielfältige Wünsche zusammengekommen, welche Themen mehr Platz finden sollten, um ihre Lebensrealität besser abzubilden: von Haushaltskunde über Sexualkunde und consent education, den Umgang mit Ämtern und öffentlicher Verwaltung, hin zu Themen wie Glück und Achtsamkeit.

Selbstverständlich finden sich auch Klassiker unter den aufgestellten Forderungen: Unter anderem kleinere Klassen mit maximal 25 Schüler*innen und mindestens eine Sozialarbeiter*in pro 250 Schüler*innen, um allen Sorgen gerecht zu werden. Die Jugendlichen finden, dass Quereinsteiger*innen gut ausgebildet werden müssen, zum Beispiel durch eine bezahlte vorbereitende und begleitende Pädagogik-Ausbildung und Inhaltsvermittlung.

Am Ende des Tages übergab das Jugendbegleitgremium die Forderungen an den damaligen Staatssekretär für Schuldigitalisierung, Jugend und Familie, Aziz Bozkurt. Passiert ist seitdem leider noch viel zu wenig. Dabei sind einige Ideen nun wirklich recht einfach und haben dennoch einen großen Mehrwert: In Berlin werden zum Beispiel massiv neue Schulen gebaut. Alle Schulneubauten mit genderneutralen Toiletten auszustatten, hätte die Wünsche der Jugendlichen beachtet, es wäre in die Zukunft gedacht worden.

 

Demokratische Schule gestalten

 

Der SozDia Stiftung war es von Anfang an wichtig, die Forderungen der Jugendlichen ernst zu nehmen und auch in den eigenen Einrichtungen mit gutem Beispiel voranzugehen. So verfolgt die Grundschule am Campus Hedwig, das erste Schulprojekt der SozDia, konsequent den Ansatz des selbstgesteuerten Lernens. Die Schüler*innen lernen altersübergreifend und individuell in ihrer eigenen Geschwindigkeit, beispielsweise durch Wochenpläne und Werkstätten. Die Pädagog*innen verstehen sich dabei als Lernbegleiter*innen. Die Schule profitiert von anderen Angeboten im Kiez, übernimmt Verantwortung im Altersheim und nutzt das angrenzende Naturschutzgebiet.

Das bedeutet auch, dass Noten hier kein Thema sind. Die Pädagog*innen geben individuelle Lern- und Leistungsrückmeldungen und unterstützen die Kinder dabei, einander Feedback zu geben und gemeinsam Lernergebnisse zu reflektieren. Auch Fächer wurden hier neu gedacht: zusätzlich zum üblichen Stundenkontingent findet sich das Fach »Engagement und Gemeinschaft« auf dem Plan. Die Kinder kooperieren mit Kita, Nachbarschaftszentrum und anderen Einrichtungen im Kiez und lernen so, Verantwortung zu übernehmen. Ab Klasse 4 übernehmen die Kinder, unterstützt von Pädagog*innen, eine konkrete Aufgabe im Gemeinwesen außerhalb der Schulgemeinschaft.

Der wöchentlich tagende Kinderrat etabliert die demokratische Teilhabe von Anfang an. Die Vision der SozDia ist es, eine Schule für alle zu eröffnen. So sind die finanziellen Beiträge zur Schule gestaffelt. Durch das Fehlen staatlicher Zuschüsse ist es in den ersten fünf Jahren nach einer Schulgründung für freie Träger nicht möglich, den Schulbesuch ohne finanzielle Beiträge zu refinanzieren, doch die Vision ist klar: unsere Schule soll zugänglich für alle werden!

 

Beteiligung für eine gute Zukunft

 

Das ist natürlich nur eine Möglichkeit, die Forderungen der Jugendlichen umzusetzen. Um hier wirksam zu werden und für eine verbesserte Zukunft der Kinder und Jugendlichen einzutreten, muss man keine private Schule sein. Auch Beschäftigten in öffentlichen Schulen können ihren Beitrag leisten und tun das auch bereits an vielen Stellen. Der erste Schritt ist ja immer das Zuhören und der zweite dann, dass die Meinungen der Kinder und Jugendlichen auch im Schulalltag Einfluss haben. Denn »gemeinsam gestalten« bringt am Ende allen mehr.

 

Kontakt für Rückfragen: verena.duentsch(at)sozdia(dot)de

Die Staatliche Europa-Schule Athene ist eine Grundschule mit einem Regel- und einem bilingualen Europazweig, in dem die Lerngruppen zweisprachig zusammengesetzt sind. In den Europaklassen werden die Sprachen Deutsch und Griechisch zu gleichen Teilen gesprochen.

 

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46