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Tendenzen

Zwischen Selbst- und Fremdbestimmung

Was das Selbstbestimmungsgesetz für trans-, inter- und nichtbinärgeschlechtliche Menschen bringt und warum es auch Pädagog*innen betrifft.

Foto: IMAGO

Viele zivilgesellschaftliche Gruppen mahnen schon seit längerer Zeit an, dass das »Transsexuellengesetz« eine Gesetzesruine sei, die ersetzt werden müsse, auch weil sich der wissenschaftliche und medizinische Blick auf Geschlechtlichkeit geändert hat. Am 1. November 2024 soll das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag nun in Kraft treten. Aktuell befindet sich das Gesetz in der Beratung des Bundestags. Das Selbstbestimmungsgesetz soll die bisher in verschiedenen Gesetzen geregelten Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags im Geburtenregister vereinheitlichen und vereinfachen.

Damit reagiert die Bundesregierung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das seit 2008 mehrfach Passagen des sogenannten »Transsexuellengesetzes« von 1981 als verfassungswidrig eingestuft und außer Kraft gesetzt hat.

 

Medizinische Beweispflicht wird durch Selbsterklärung ersetzt

 

Ein zentraler Kritikpunkt an der bisherigen Gesetzeslage betrifft die Voraussetzung einer medizinischen Diagnose, die bei transgeschlechtlichen Menschen durch zwei voneinander unabhängig erstellte Gutachten bestätigt werden muss. Diese medizinische Beweispflicht soll dem Gesetzesentwurf zufolge entfallen und durch ein Verfahren zur Selbsterklärung beim Standesamt im Bewusstsein der daraus erwachsenden Konsequenzen ersetzt werden. Die Dauer des Verfahrens wird verkürzt auf drei Monate. Eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags im Geburtenregister, auch zurück zum vorherigen Eintrag, würde für Volljährige erst ein Jahr später wieder möglich sein. Für Kinder und Jugendliche würde keine Frist für die erneute Änderung des Geschlechtseintrags bestehen.

Mit dem Verzicht auf eine medizinische Diagnostik erklärt der Staat das eigene Gefühl der Betroffenen zum maßgeblichen Punkt dafür, wie er sich zur Frage des individuellen Geschlechts verhält. Er erwartet, dass die Betroffenen versichern, dass sie sich der daraus resultierenden Folgen bewusst sind. Auch Irrtümer der Betroffenen in Hinblick auf ihre Geschlechtsidentität akzeptiert er.

Kritiker*innen des neuen Gesetzes verweisen regelmäßig auf mögliche Missbräuche durch eine Vereinfachung des Geschlechtswechsels. Menschen könnten den Wechsel des Geschlechtseintrags nutzen, um sich Zutritt zu geschützten Räumen – insbesondere für Frauen, wie Frauenhäuser oder Frauenumkleiden – zu erschleichen. Eine Befürchtung, die von Frauenhausverbänden nicht geteilt wird. Vielmehr verweist der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe auf eine hohe Betroffenheit von trans-, inter- und nicht-binärgeschlechtlichen Personen im Hinblick auf geschlechtsspezifische Gewalt und sexistische Übergriffe.

Der Sauna-Verband will künftig den Zutritt zu geschlechtsspezifischen Umkleiden und Saunaangeboten an primären Geschlechtsmerkmalen festmachen. Dabei verweist er darauf, dass Frauen häufiger von geschlechtsspezifischer und sexualisierter Gewalt betroffen sind. Dies verdeutlicht das Spannungsfeld, in dem sich das Thema bewegt.

 

Lebensrealitäten von queeren Kindern und Jugendlichen im Fokus

 

Sehr wahrscheinlich werden sich auch Pädagog*innen in Zukunft noch mehr mit Konflikten von trans-, nichtbinär- und intergeschlechtlichen Kindern und Jugendlichen auseinandersetzen müssen, um diese angemessen auf ihrem Weg zu begleiten.

Am 29. April findet um 18.30 Uhr im GEW-Haus eine Veranstaltung der LGBTQIA* AG queer-inklusive Pädagog*innen in Zusammenarbeit mit QUEERFORMAT e. V. – Fachstelle Queere Bildung statt. Nach einem Input zur Situation von LGBTQIA*-Kindern und -Jugendlichen folgt eine Vorstellung der Materialien von Queerformat sowie ein Überblick über Bücher ab sechs Jahren, die queere Themen aufgreifen.

Die Räumlichkeiten der GEW sind für mobilitätseingeschränkte Personen bisher leider nur bedingt barrierefrei zugänglich. Bitte schreibt uns eine E-Mail, wenn ihr barrierefreien Zugang benötigt, damit wir eine Teilnahme ermöglichen können: queerinklusiv(at)gew-berlin(dot)de

Kontakt
Markus Hanisch
Geschäftsführer und Pressesprecher
Telefon:  030 / 219993-46