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bbz 01 / 2018

Bildung in der digitalen Welt

Die Digitalisierung der Schulen ist in aller Munde. Wir dürfen die Debatten jedoch nicht den Lobbyist*innen überlassen.

Digitale Medien sind aus dem Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Sie spielen eine bedeutende Rolle in ihrer Entwicklung, ihrer Kommunikation sowie ihrer Kultur und sind so zu einem wichtigen Sozialisationsfaktor geworden. Die Debatte um die Digitalisierung von Schulen setzt bereits in den Grundschulen an, denn Informatikkenntnisse sollten am besten schon früh angebahnt werden. Hauptbegründung ist immer wieder der drohende Fachkräftemangel. Darüber hinaus wird argumentiert, dass es nicht reiche, die Programme zu nutzen. Junge Menschen müssten auch wissen, wie sie funktionieren und wie man Algorithmen erstellt, damit sie digitale Anwendungen auch beurteilen und beherrschen können.

Dem Erlernen digitaler Kompetenzen ist prinzipiell nichts entgegenzusetzen. Allerdings bietet der einseitige Blick auf die, von der Wirtschaft gebrauchten, Kompetenzen ein Einfallstor für kommerzielle Interessen, die der demokratischen Legitimation von Lern- und Bildungsinhalten die Grundlage entzieht. Ein Beispiel dafür ist der Mini-Computer Calliope, der den Grundschulen in einigen Bundesländern kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Er soll erste Einsichten in das Programmieren ermöglichen. Programmieren steht bislang nicht im Bildungsplan von Grundschulen. Ob dies der Fall sein sollte, wurde weder mit Lehrkräften noch mit der GEW diskutiert. Hier bestimmen Lobbygruppen, was umgesetzt wird.

Digitalisierung braucht pädagogische Konzepte

Mediendidaktiker*innen und Lehrkräfte fordern hingegen eine umfassende, fächerübergreifende Medienbildung, die zu einer sinnvollen und verantwortungsvollen Nutzung digitaler Medien führt. Sie setzen solche Konzepte bereits an ihren Schulen um. Die Nutzung digitaler Medien wird dabei jeweils in das didaktische Gesamtkonzept des Unterrichts und des jeweiligen Faches eingefügt. Ein Anliegen ist es ihnen auch, Themen wie Datenschutz, Datenmissbrauch, Cybermobbing und digitale Sucht zu vertiefen.

Die Kehrseite der hohen Bedeutung neuer Technologien sind zunehmende Risiken, wie etwa Cyber-Kriminalität und -Mobbing, jugendgefährdende Inhalte, Überwachung, Datenraub und nicht zuletzt die Gefährdung von Arbeitsplätzen. Insofern müssen Schulen mit digitalen Medien verantwortungsvoll umgehen und sie verstärkt in den Unterricht einbeziehen. Dies bedeutet, dass Bildungsinstitutionen den Anspruch der Wirtschaft, nützliche Rädchen im Getriebe der Industrie 4.0 zu sein und die Gefahren der Kommerzialisierung von Bildung durch die digitale Industrie problematisieren müssen. Sie dürfen sich auch nicht der notwendigen Vorbereitung der jungen Menschen auf die neuen Technologien verschließen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat bereits versucht, eine Strategie für die digitale Bildung zu entwickeln. Dabei ist zu begrüßen, dass sich die KMK in ihrem Entwurf für eine »Bildung in der digitalen Welt« deutlich für ein »Primat der Pädagogik« sowie für eine fächerübergreifende und fächerverbindende Vermittlung von Medienbildung und eine entsprechende Grundqualifikation aller Lehrkräfte in der Ausbildung ausspricht. Dies entspricht auch der Auffassung der GEW.

Bildungsbenachteiligung entgegenwirken

Einige wichtige Aspekte digitaler Bildung, wie zum Beispiel soziale Benachteiligung, Inklusion und die Gefahr der Ökonomisierung der Bildung, kommen in dem Strategiepapier der KMK allerdings zu kurz. Medienbildung hat aus GEW-Sicht auch die Aufgabe, der sozial und kulturell bedingten unterschiedlichen Mediennutzung und Bildungsbenachteiligung entgegenzuwirken, zum Beispiel durch inklusive, differenzierende oder materielle Maßnahmen und Programme.

Dies ist deshalb zu betonen, weil digitales Lernen nicht per se benachteiligten Schüler*innen mehr Lernchancen verschafft, wie zuerst angenommen wurde. Stattdessen ist mittlerweile aus verschiedenen Studien bekannt, dass gerade diese Gruppe mit dem, zumeist auf mehr Selbststeuerung setzenden, digitalen Lernen Probleme hat und besonders auf den persönlichen Kontakt, den Dialog und nicht zuletzt die persönliche Lernbegleitung durch die Lehrkräfte angewiesen ist.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass die Digitalindustrie mit Tests und Lernprogrammen die Schulen flutet und damit ein auf Solidarität und Selbstbestimmung fußender Bildungsbegriff geschleift wird.

Schon jetzt lässt sich die Begeisterung von Bildungspolitiker*innen für computergestützte Lerntechnologien nicht leugnen. Gerade in Zeiten, in denen gut und umfassend ausgebildete Lehrkräfte rar werden, könnte die Förderung entsprechender Programme zu einem attraktiven politischen Betätigungsfeld werden.

Digitale Medien sollten insbesondere die Methodenvielfalt, die Vielfalt der Lernzugänge, die Individualisierung von Lernprozessen sowie die zusätzliche Förderung von Lernenden mit Beeinträchtigungen unterstützen. Alle Bestrebungen, digitale Bildung als Einfallstor für die Kommerzialisierung von Bildung zu nutzen, sind dagegen entschlossen zurückzuweisen. Die GEW fordert eine sozial gerechte, öffentlich verantwortete Medienbildung.


Dieser Artikel ist Teil des bbz-Themenschwerpunkts „macht mal digital“  [zur gesamten Ausgabe]