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bbz 10/2016

Tariflohn für alle

Um mehr als 20 Prozent können die Gehälter von ErzieherInnen bei freien Trägern unter denen von vergleichbar Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst liegen. Mit der Kampagne »Tariflohn für alle« will die GEW gegen Lohndumping mobilisieren.

Die Bedeutung von Bildung und Erziehung in den Kitas hat einen hohen Stellenwert und ist durch die Arbeit mit einem anspruchsvollen Bildungsprogramm gekennzeichnet. Sprachförderung, Bildungsdokumentation, Entwicklungsgespräche, Zusammenarbeit mit den Eltern, Inklusion und Evaluation sind nur einige Stichworte, die zeigen, wie dynamisch sich das Arbeitsfeld entwickelt hat. Während ErzieherInnen sowie Leitungskräfte sich ständig weiter qualifizieren, gibt es bei den Arbeits- und Einkommensbedingungen gegenläufige Entwicklungen. Teilzeit prägt den Berufsstand und die Bezahlung von ErzieherInnen in Kitas bei freien Trägern weicht von der Bezahlung der KollegInnen im öffentlichen Dienst unangenehm ab – und dies bei einheitlichen Anforderungen an die fachliche Qualität. So kann es nicht weitergehen.

Die Trägerlandschaft ist unübersichtlich

In Berlin gibt es 2.356 Tageseinrichtungen für Kinder, davon 293 in öffentlicher Trägerschaft, dies entspricht 12,4 Prozent. Öffentliche Träger sind die fünf Kita-Eigenbetriebe mit 277 Einrichtungen, das Studentenwerk Berlin sowie das Pestalozzi-Fröbel-Haus. Über 70 Prozent der Plätze werden von freien Trägern angeboten. Die Trägerlandschaft im Land Berlin ist außerordentlich vielfältig. Dies spiegelt sich auch bei den Beschäftigungsverhältnissen der ErzieherInnen wider. Lediglich 21,4 Prozent von ihnen arbeiten bei einem öffentlichen Träger und fallen somit unter das öffentliche Tarifrecht des Landes Berlin (TV-L Berlin). Etwa zehn Prozent der ErzieherInnen arbeiten bei einem kirchlichen Träger. Für Fachkräfte bei der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg/Schlesische Oberlausitz gilt ein Tarifvertrag. Für die Fachkräfte bei katholischen Trägern gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien der Caritas für das Erzbistum Berlin. Sie haben ein Einkommen, das im Wesentlichen dem des öffentlichen Dienstes entspricht.

Darüber hinaus haben die Gewerkschaften mit einer Reihe von freien Trägern Tarifverträge abgeschlossen. Das Niveau dieser tariflichen Regelungen liegt meist unter denen des öffentlichen Dienstes. Des Weiteren gibt es freie Träger, die Entgelt gemäß TV-L Berlin zahlen. Einige tun dies in vollem Umfang und übernehmen auch zeitgleich die jeweiligen Tariferhöhungen. Andere verweigern die Jahressonderzahlung oder gewähren sie nur als freiwillige Leistung. In zahlreichen Arbeitsverträgen finden sich Formulierungen wie »in Anlehnung an TV-L«. In der Regel erhalten ErzieherInnen in diesen Fällen ein monatliches Entgelt, das mehr oder weniger stark vom TV-L Berlin abweicht. Oftmals wird das Gehalt als Festgeld ohne vertraglich vereinbarte Gehaltsentwicklungen gezahlt. Der größte Teil der ErzieherInnen bei diesen freien Trägern erhält somit ein Entgelt, das unter dem des TV-L Berlin liegt.

Das Geld kommt nicht beim Personal an

Alle Träger – ob öffentliche oder freie – werden in Berlin gleichermaßen ausfinanziert. Die Grundlage ist die Rahmenvereinbarung zur Finanzierung. Die Träger erhalten die Leistungen sowie Elternbeiträge und müssen selbst einen sogenannten Eigenanteil von sieben Prozent erbringen. Die Kostenpauschale, die der Träger für einen belegten Platz erhält, setzt sich zusammen aus Personal- und Sachkosten. Doch es gibt keine Verpflichtung, diese zweckgebunden auszugeben. So können beispielsweise Finanzmittel für Personal auch für Sachmittel ausgegeben werden – und umgekehrt. Auch die in der Rahmenvereinbarung festgelegten und vom Land gezahlten Tarifanpassungen, die sich an den Tarifabschlüssen der Länder (TV-L Berlin) orientieren, müssen die freien Träger nicht an ihr Personal weitergeben. Die öffentlichen Träger hingegen müssen die Tarifverträge, die für den öffentlichen Dienst des Landes Berlin gelten, einhalten.

Dieses Finanzierungssystem ist nicht auskömmlich und geht zu Lasten der ErzieherInnen. Es begünstigt Teilzeitarbeit mit einer Quote von 51 Prozent und befristete Arbeitsverhältnisse mit einer Quote von 12,5 Prozent. Außerdem ermöglicht es, die zur Verfügung gestellten – ohnehin knappen – Personalmittel für andere Dinge als für die Gehälter der ErzieherInnen zu verwenden.

Gerecht geht anders

Alle ErzieherInnen in den Berliner Kitas arbeiten nach dem Berliner Bildungsprogramm. Sie leisten dieselbe Arbeit und müssen dieselben Qualitätsstandards erfüllen. Dazu sind sie nach der Vereinbarung über die Qualitätsentwicklung in Berliner Kindertagesstätten (QVTAG) verpflichtet. Ihre Einkommen können aber um 10, 20 und mehr Prozent unter denen vergleichbarer Beschäftigter des öffentlichen Dienstes liegen. Das ist nicht gerecht, denn das Land Berlin zahlt aus öffentlichen Mitteln allen Trägern dieselben Personalkosten. Die Gesellschaft und die Eltern erwarten zu Recht eine qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung und Erziehung. Die ErzieherInnen verlangen für ihre anspruchsvolle Arbeit eine angemessene Bezahlung. Die GEW BERLIN fordert, dass alle ErzieherInnen in Berliner Tageseinrichtungen ein Entgelt erhalten, das dem des öffentlichen Tarifrechts im Land Berlin entspricht.

Um das zu gewährleisten, fordert die GEW erstens: Alle Zuwendungsempfänger und Träger von Tageseinrichtungen für Kinder müssen gesetzlich verpflichtet werden, den Beschäftigten ein Entgelt zu zahlen, das dem des öffentlichen Tarifrechts im Land Berlin entspricht. Alternativ dazu können sie mit den Gewerkschaften einen eigenen Tarifvertrag abschließen. Der Nachweis entsprechender Entgeltzahlungen ist die Voraussetzung für eine Finanzierung aus öffentlichen Mitteln. Zweitens: Das Land Berlin muss durch eine entsprechende öffentliche Finanzierung gewährleisten, dass ein tarifliches Entgelt auf dem Niveau des TV-L gezahlt werden kann. Und drittens: Das Kita-Förderungsgesetz muss entsprechend dieser Grundsätze geändert und die Rahmenvereinbarung angepasst werden.

Mitmachen lohnt sich

Unter dem Motto »Tariflohn für alle« rufen wir die Beschäftigten auf, sich in der GEW zu organisieren und aktiv zu werden. Nur gemeinsam können wir die berechtigten Forderungen der betroffenen Kolleginnen und Kollegen öffentlich vertreten und durchsetzen. Für die GEW steht dabei die Wertigkeit des ErzieherInnenberufs im Mittelpunkt. Frühkindliche Bildung braucht engagierte und motivierte Fachkräfte, die sich den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft stellen. Wenn bundesweit an alle Träger gleichermaßen hohe Anforderungen an Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern gestellt werden, müssen auch die Einkommensbedingungen gleich sein. Mitmachen lohnt sich!